Camillo Kino hat ein Problem – oder haben andere das Problem?

Görlitz, 12. Mai 2011. Freunde des Camillo Kinos, eines der zarten und doch widerstandsfähigen Pflänzchen der - wie man es nun immer nennen will - Kleinkultur oder Szene-Kultur in Görlitz, haben am Wochenende in Görlitz kräftig Werbung für das Programmkino gemacht. Allerdings ist die angewendete Methode nicht allseits beliebt: Das Camillo Logo wurde mit harmlosem Kreidespray auf Gehwege gesprüht. Die Stadtverwaltung hat umgehend reagiert und die kostenpflichtige Entfernung angedroht. Das machen die Camillo Leute nun doch lieber selber.

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Stellungnahme des Camillo e.V. und Kommentar

Jana Rupp vom Vorstand des Camillo e.V. hat eine lesenswerte und in der Sache treffende Stellungnahme veröffentlicht (www.camillokino.de/kino/index.php?article_id=605):


Kommentar:

Dass Görlitz eisern gegen Sprayer vorgeht, ist bekannt. Das "Verschandeln" der "schönsten Stadt Deutschlands" soll möglichst im Ansatz verhindert werden.Das ist verständlich – und auch nicht.

Zunächst muss man unterscheiden zwischen ziemlich hirnlosen Schmierern und Taggern, die ohne Rücksicht und Bedacht an jeder scheinbar geeigneten Fläche irgendetwas hinterlassen, und Graffiti-Künstlern. Merke: Graffiti als Kunstform ist längst anerkannt und etabliert. Und da sind da noch die jetzt in Görlitz zum Zuge gekommenen Guerilleros, die wohlbedacht mit harmlosem Kreidematerial auf ein Kleinkino aufmerksam machen wollten.

On man das nun schön findet oder nicht, das bleibt wie bei jeder Kunstform dem persönlichen Geschmack überlassen. Genau so wie bei der Architektur oder dem Klang der Kirchenglocken handelt es sich um eine Kunstform im öffentlichen Raum, der sich der Bürger nicht entziehen kann. Das ist das besondere am Graffiti. Zugleich bringt das ein rechtliches Problem mit: "Legale" Sprayflächen, wo es zweifelsohne erlaubt ist, zu sprühen, sind denkbar knapp und für die Graffiti-Künstler oftmals weder reizvoll noch attraktiv. Die Aktion der Görlitzer Kino-Fans war der Versuch, diesem Problem auszuweichen, indem mit Kreide gesprüht wurde, die mit der Zeit von allein verschwindet.

Eine der Kernfragen beim Sprayen ist, ob es sich dabei um Sachbeschädigung handelt. Der Standpunkt, beim Auftrag von Farbe werde die darunterliegende Substanz nicht beschädigt, dürfte nicht greifen. Offenporige Oberflächen werden verschlossen, in Sandstein zieht Farbe ein und lässt sich nie wieder entfernen. Wie Kreide in diesem Sinne zu beurteilen ist, muss man wohl dem gesunden Menschenverstand und den Gerichten überlassen.

Bei aller Diskussion: Längst ist die Graffiti-Kunst Bestandteil unserer Kultur. In Graffiti entäußert sich ein Lebensgefühl, es ist Mittel der Kommunikation und – auch wenn es manchem schwerfällt, das zu akzeptieren – Teil des Bilds der Städte.

Ist die Stadt Görlitz nun in einem Dilemma zwischen der denkbaren Sympathie für das Programmkino Camillo und der Verpflichtung, Recht und Gesetz durchzusetzen? Steht die Befürchtung, durch Tolerierung der Camillo-Aktion Nachahmer zu ermuntern? Ach was, möcht´ man sagen, das Ausloten von Grenzen für das eigene Handeln gehört bei Jugendlichen zum genetischen Programm. Für eine rechtliche Beurteilung ist da weniger der Law&Order-Hardliner als vielmehr der "weise Richter" gefragt. Wird jegliches freie und abenteuerliche Lebensgefühl, jegliche Subkultur im Keim erstickt oder in offizielle Bahnen gelenkt, dann braucht man sich nicht zu wundern, dass sich die kreativsten Köpfe von einer im eigenen Sabber erstickenden und in Provenzialität verkommenden Stadt abwenden.

Die Kultur machen schließlich die Menschen, Behörden sind nur für die Rahmenbedingungen verantwortlich,

meint Ihr Fritz R. Stänker



Mehr:
http://www.camillokino.de

Ergebnis: Ist Graffiti Teil unserer Kultur?

unbedingt (21.3%)
 
nur wenn legal (31.3%)
 
keinesfalls (44.4%)
 
weiß nicht (3.1%)
 
Nichtrepräsentative Umfrage
Umfrage seit dem 12.05.2011
Teilnahme: 160 Stimmen
Kommentare Lesermeinungen (1)
Lesermeinungen geben nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion, sondern die persönliche Auffassung der Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich das Recht zu sinnwahrender Kürzung vor.

Art is not a crime

Von Pressesprecher des Goa Clan´s am 18.01.2012 - 07:05Uhr
Liebe Leser,

ich bitte Sie, doch mal zurück zu schauen in die Vergangenheit: Selbst die ersten Menschen haben in den Höhlen Schriftzüge bzw. Bilder in Gestein eingearbeitet...
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Hinweis der Redaktion:
So begann der Leserkommentar des Pressesprechers des "Goa Clans", offenbar einer Sprayergruppe. Eine durchaus lesenswerte Meinungsäußerung, auch wenn man ihr in den Details nicht zustimmen muss. Bei einer Rückfrage per eMail zeigte sich aber, dass die angegebene Adresse nicht existiert. Folge: Keine Veröffentlichung.

Das gleiche Schicksal erleiden übrigens auch anonym per Post zugeschickte Leserkommentare, in denen wir zur Veröffentlichung aufgefordert werden.

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  • Quelle: red | Fritz Rudolph Stänker | Korrigiert: 12.05.2011 11:00 Uhr
  • Erstellt am 12.05.2011 - 09:07Uhr | Zuletzt geändert am 12.06.2021 - 16:14Uhr
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