Pflegebedürftige Angehörige – ein mentales Problem für Pflegende?
Görlitz, 19. Februar 2022. Von Thomas Beier. Im Zuge der Corona-Pandemie sind sie zunehmend in den Fokus gerückt: all jene, die in pflegerischen Berufen tätig sind. Dauerbrenner dabei sind die Arbeitsbelastung, die Vergütung und die Frage, ob eine Pflichtimpfung gegen das Coronavirus beziehungsweise eine seiner Mutationen berechtigt ist. Während die Stimmenvielfalt dazu enorm ist, will der Görlitzer Anzeiger die Aufmerksamkeit einmal auf die pflegenden Angehörigen richten.
Wer pflegt, muss sich selbst vor Überlastung schützen
Ältere Familienmitglieder so lange es irgend geht in der vertrauten Umgebung zu pflegen oder sogar in den eigenen Haushalt aufzunehmen, das war in früheren jahrzehnten in vielen Familien selbstverständlich. Da wurde kaum gefragt, ob das zumutbar ist, etwa zu den Lebensansprüchen oder beruflichen Belastungen der Pflegenden passt, die innerfamiliäre Pflege hatte ganz einfach Priorität. Natürlich spielen bei solchen Entscheidungen für tätige Nächstenliebe auch tief verwurzelte Grundwerte eine entscheidende Rolle.
Längst hat sich das Bild gewandelt: Wer im Alter pflegebedürftig wird, dessen Kinder sind vielleicht in weite Ferne verzogen, um berufliche Chancen wahrzunehmen und sich – ein nicht zu unterschätzendes Argument – ein passendes soziales Umfeld aufzubauen. Eine Rolle spielen sicherlich auch die Leistungen der Pflegeversicherung, die es recht einfach machen, die persönliche Verantwortung für und die moralische Verpflichtung zur Pflege von Angehörigen an Pflegeeinrichtungen abzugeben.
Welche Rolle spielen die pflegebedürftigen Alten in der gesellschaftlichen Wahrnehmung?
Im Zuge der Corona-Pandemie fällt auf, dass breite Kreise der Bevölkerung über diese und jene Vorsichtsmaßnahme, die sie als drastische Einschränkung der persönlichen Freiheit empfinden, wehklagen. Wie es den in ihren Pflegeeinrichtungen isolierten Alten erging, spielte jedoch kaum eine Rolle. Nein, vermisst wurden Gaststätten-, Klub- und Diskothekenbesuche, Reisen und größere Feiern, um sich auf den Unterhaltungsbereich zu beschränken. Es zeigt sich, dass offenbar viele darauf angewiesen sind, in ihrer Freizeit beschäftigt – in irgendeiner Form unterhalten – zu werden, anstelle die Zeit eigenschöpferisch oder zu Gunsten anderer zu nutzen.Anders jene, die sich tatsächlich für die Pflege von Angehörigen aufopfern. Oftmals sind es die Frauen, die für die Pflege von Familienangehörigen ihre beruflichen und privaten Interessen zurückstecken und sich aufopfern. Es kommt sogar vor, dass darüber vergessen wird, die in Abhängigkeit vom Pflegegrad zustehenden Geld- und Sachleistungen beziehungsweise Kombinationsleistungen bei der Pflegekasse zu beantragen. Dabei wird die Pflege im häuslichen Umfeld durchaus großzügig unterstützt, wie man etwa diesen Informationen über die Ansprüche bei Pflegestufe 4 als Übersicht entnehmen kann.
Was Pflegenden und Gepflegten zusteht
Wird der Pflegegrad 4 ermittelt – das geschieht mit einem Punktesystem – erhält der Versicherte monatlich 728 Euro als Pflegegeld. Weitere Geldleistungen, wie beispielsweise monatlich 125 Euro etwa für Einkaufs- und Haushaltshilfen und weitere Betreuungen, werden erstattet. Weitere Zahlungen betreffen unter anderem technische Hilfen, Pflegehilfsmittel, die Kurzzeit- und die Verhinderungspflege. Der nicht erwerbsmäßg Pflegende wird sogar mit Zahlungen in die Renten-, Arbeitslosen- und Unfallversicherung unterstützt.Wird ein ambulanter Pflegedienst oder eine professionelle Pflegekraft beauftragt, wird bei Pflegegrad 4 mit bis zu 1.612 Euro monatlich an Sachleistungen bezuschusst, die der Pflegedienst direkt abrechnet. Etwas komplizierter wird es, wenn sich pflegende Angehörige von einem Pflegedienst entlasten lassen, hier hilft nur, in den Ansprüchen im Detail nachzulesen.
Anträge stellen und für Entlastung sorgen
Wer beginnt, einen Angehörigen, der alleine nicht mehr vollständig zurechtkommt, sollte darauf achten, dass rechtzeitig ein Antrag auf Pflegeleistungen gestellt wird. Das kann formlos erfolgen, am besten aber schriftlich. Dann muss man sich durch Formulare durchkämpfen, bis schließlich für gesetzlich Versicherte der Medizinische Dienst, für privat Versicherte die MEDICPROOF GmbH, ein Tochterunternehmen des Verbandes der Privaten Krankenversicherung, den Pflegegrad ermittelt. Ohne Pflegegrad gibt es keine Leistungen der Pflegekassen!Die frühzeitige Feststellung eines Pflegegrades kann Angehörige in physischer wie auch in finanzieller Hinsicht entlasten, ohne ein schlechtes Gewissen zu erzeugen, weil vielleicht der Eindruck erzeugt wird, man würde sich der Pflege nicht stellen. Vielleicht ist die Kenntnis der möglichen Unterstützungsleistungen sogar ein Argument dafür, die Pflege zu Hause stärker in Erwägung zu ziehen und dabei die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege im Auge zu behalten. Was man aber unbedingt vermeiden sollte ist womöglich langjähriges mentales Leiden, weil man sich zur Pflege von Angehörigen verpflichtet fühlt, obgleich dies die eigenen Kräfte übersteigt.
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- Quelle: Thomas Beier | Foto: webandi / Andreas Lischka, Pixabay License
- Erstellt am 19.02.2022 - 12:42Uhr | Zuletzt geändert am 19.02.2022 - 13:26Uhr
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