Unnützes Wissen?
Görlitz, 23. Januar 2022. Thomas Beier. Verfolgt man die gesellschaftliche Diskussion etwa um die Corona-Schutzimpfungen, so scheint es nur noch verhärtete Positionen zu geben. Manche meinen nun, es müsse ein Dialog zwischen Impfwilligen und Impfgegnern herbeigeführt werden und vor allem müssen die unterschiedlichen Meinungen respektiert werden. Das ist ein falscher Ansatz.
Meinungen sind in aller Regel nicht gleichwertig
Warum der Respekt anderer Meinungen gründlichst verkehrt sein kann zeigt sich beispielsweise, wenn die Meinung, die Erde sei eine Kugel, auf die Meinung, die Erde sei eine Scheibe, trifft. Für die allermeisten Menschen sind beide Aussagen nicht mehr als eine Meinung, weil – so darf unterstellt werden – eben die allermeisten nicht in der Lage sind, ihre Meinung in dieser Angelegenheit zu beweisen.
Eher ist es doch so: Wer die Meinung vertritt, die Erde habe eher Kugelgestalt, vertraut damit auf die Erkenntnisse der Wissenschaften, wer an die Scheibe glaubt, misstraut den modernen Wissenschaften. Wer würde vor diesem Hintergrund die Existenzberechtigung beider Meinungen, solange sie nicht als Dogma daherkommen, bestreiten?
Ebenso verhält es sich mit den Ansichten über das Coronavirus, die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung oder etwa die Corona-Impfstoffe, wenn jeder auf seine Weise aus individueller Perspektive offenkundige, aber höchst unterschiedliche Tatsachen – wenn sie denn solche sind – für seine Meinungsbildung in Anspruch nimmt.
Schweigen heißt nicht Zustimmung
Schon infantil zu nennende Qualitäten werden erreicht, wenn Einzelne jeder klaren Aussage mit einem "Aber" begegnen, etwa: Aber auch Wissenschaftler haben sich schon geirrt, aber da habe ich etwas anderes gehört, aber da steckt etwas ganz anderes dahinter etc pp.Jedes einzelne "Aber" lässt sich in seiner Absolutheit widerlegen. Wissenschaftler müssen sich irren dürfen, es gibt halt viele Meinungen und Mutmaßungen können schier endlos angestellt werden – nur: auf jedes dümmliche "Aber" einzugehen bedeutet viel Aufwand und ist ermüdend. Deshalb lässt man es oft stehen, was keinesfalls als Zustimmung gewertet werden darf.
Für was lernen wir?
Die Grundlage für die Ablehnung dessen, was die Wissenschaft herausfindet, liegt, so scheint mir, in der Ablehnung von Wissen. Wenn Schulkindern Wissen wie mit dem Nürnberger Trichter eingetrichtert wird, wächst in ihnen freilich die Frage: Wozu muss ich das eigentlich lernen? Da hilft es auch nichts, wenn das Zitat "Nicht für das Leben, sondern für die Schule lernen wir" des römischen Philosophen Lucius Annaeus Seneca, der etwa vom Jahr 1 bis zum Jahre 65 lebte, gern verkehrt herum wiedergegeben wird.Seneca kritisierte mit seinen Worten die römischen Philosophenschulen seiner Zeit. Schaut man sich heute die allgemeinbildenden Schulen an, so darf man zumindest fragen, ob diese Kritik gefruchtet hat. Mein Eindruck: Seit Generationen viel zu wenig, denn zu oft wird Wissen abgelehnt, weil Schüler und Eltern sich fragen, was sie jemals damit anfangen sollen. Ein typisches Beispiel sind die drei binomischen Formeln, mit denen sich mathematische Ausdrücke zusammenfassen oder ausgliedern lassen. Wenn jemand die binomischen Formeln lernen soll, dann braucht er ein Motiv dafür, also eine nützliche Anwendung. Naheliegend ist etwa die Unterstützung des Kopfrechnens mit Hilfe dieser Formeln.
Es geht nicht nur um quantitaives Wissen
Lernen aber – und darauf kommt es an – bewirkt weit mehr als die Anhäufung von Wissen: Es liefert dem Hirn die Bausteine für eigenständiges Denken und zudem die Fähigkeit, eigene Wissenslücken zu erkennen. Mehr noch: Erst wer auf vielen Wissensgebieten gebildet ist, kann Wissen aus einem Fachgebiet auf andere transformieren, was einen wesentlichen Zugang zur Erkenntnis darstellt.Was für ein Armutszeugnis stellen sich dagegen Leute aus, die sich selbst als "Querdenker" bezeichnen! Der Begriff impliziert ja, das andere "Geradeausdenker" sind und man selbst eben völlig anders denkt. Man wird keinen klugen Menschen finden, der Wissen ablehnt, indem er sich auf eine andere Denkweise beruft; akzeptabel wäre hingegen, wenn jemand sagt, er sehe bestimmte Zusammenhänge etwas komplexer, bewerte Informationen anders und ordne sie entsprechend ein.
Bildung allein macht nicht klug
Dass die Anhäufung von Wissen noch lange nicht persönliche Reife und die Fähigkeit zum komplexen Erkennen und Denken beinhaltet, lässt sich übrigens bei vielen formal hochgebildeten Personen nachvollziehen. Doch soweit muss man gar nicht greifen, noch einmal Seneca: "Es wäre besser, wir könnten unserer gelehrten Schulbildung einen gesunden Menschenverstand abgewinnen" – was allerdings die Täuschung mit sich bringt, wonach jeder für sich glaubt, einen wie auch immer gearteten "gesunden Menschenverstand" zu besitzen.-
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- Quelle: Thomas Beier | Foto: Clard / Szilárd Szabó, Pixabay License
- Erstellt am 23.01.2022 - 09:47Uhr | Zuletzt geändert am 08.08.2022 - 12:36Uhr
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