Zwölf Kronen und 48 Heller für einen Manta
Friedland im Isergebirge (Frýdlant v Čechách), 3. Oktober 2021. Von Stanislav Beran. Holger Frenzel kämpft nach seiner Rehabilitierung um mehr Wiedergutmachung für seinen beschlagnahmten Opel Manta. Der Hintergrund: Frenzel wurde 1988 in der sozialistischen Tschechoslowakei für fünf Tage inhaftiert und verlor seinen gut ein Jahr alten Opel Manta an den Staat. Der Grund? Er hatte versucht, seine Freundin aus der "DDR" in den Westen zu schmuggeln. Nachdem er in der Tschechischen Republik rehabilitiert worden war, beantragte er eine Entschädigung und die Rückgabe seines Autos.
Eine Entschädigung soll das sein?
Thema: Woanders
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Am 8. Juni 2021 sprach das tschechische Justizministerium Holger Frenzel für die Wegnahme seines Autos eine Entschädigung von 717 Kronen – knapp 28 Euro – zu, was er als zu wenig empfand. Er beantragte eine Erhöhung. Seinem Antrag wurde stattgegeben. Das Ministerium bewilligte ihm die Erhöhung und überwies ihm am 9. September 2021 weitere 12,48 Kronen – umgerechnet 49 Cent – auf sein Konto. Lubomír Müller, Frenzels Anwalt in der Tschechischen Republik: "Wer meint, dass 717 Kronen Entschädigung für fünf Tage Gefängnis und einen beschlagnahmten Luxussportwagen Opel Manta im Wert von 30.000 DM nicht ausreichen, dann legt das Ministerium 12 Kronen und 48 Heller darauf. Das ist eine Verhöhnung der Opfer." Ob ein Manta nun ein Luxussportwagen ist, kann man diskutieren, auf jeden Fall war der damalige Preis für das auch bei Schraubern beliebte Auto, an dem man noch viel selbst reparieren konnte, nicht gerade billig.
Nach Angaben von Jakub Severa, Leiter der Abteilung für Entschädigungen, seien das nur Verzugszinsen. Die Entschädigung, die sich aus 417 Kronen für den Verdienstausfall, 100 Kronen für die Haft und 200 Kronen für das Strafverfahren zusammensetze, könne derzeit nicht erhöht werden. Das lasse das Gesetz nicht zu. Auch dem Antrag auf finanzielle Entschädigung für das 13 Monate alte beschlagnahmte Auto gab das Ministerium nicht statt. Das Gerichtsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Neben der Rehabilitierung sprach das Bezirksgericht Eger (Cheb) Holger Frenzel seinen Opel Manta zu, den der tschechoslowaki-sche Staat vor mehr als 30 Jahren konfisziert hatte.
Die Staatsanwaltschaft legte Beschwerde ein. Und so kam der Fall, bei dem es um den Sportwagen ging, vor das Landgericht. Dies hob die angefochtene Entscheidung auf und verwies die Strafsache zur erneuten Verhandlung an das Bezirksgericht Eger zurück. "Obwohl das Gericht die Rehabilitierung verkündet hatte, wurde das Schicksal des Autos nicht geklärt. Wir haben daher das Ministerium aufgefordert, eine angemessene Entschädigung für das Auto zu zahlen. Wir waren leider nicht erfolgreich. Bislang sind wir mit vielen Hindernissen konfrontiert", musste Rechtsanwalt Müller feststellen.
Fluchtversuch und Entdeckung
Die Geschichte begann im Oktober 1988 in Karl-Marx-Stadt in Sachsen,das heute wieder Chemnitz heißt. Der Familie von Holger Frenzel war es gelungen, aus der "DDR" in die Bundesrepublik Deutschland überzusiedeln. Der damals der 19-jährige Holger beschloss gemeinsam mit seinem 18-jährigen westdeutschen Freund Peter Harpfer, seiner im Osten zurückgelassenen Freundin Krystina Hauck zu helfen, nach Westdeutschland zu fliehen. In seinem silbernen Opel Manta baute er ihr hinter den Rücksitzen ein Versteck. Die jungen Leute trafen sich im tschechischen Karlsbad (Karlovy Vary) und versteckten Krystina im Auto. Anschließend fuhren sie zum Grenzübergang Mühlbach (Pomezí nad Ohří), umvon dort weiter in Richtung Schirnding in Oberfranken zu gelangen.Bei der Grenzkontrolle entdeckte der tschechische Grenzsoldat E. (Name der Redaktion bekannt) das Versteck und nahm mit Hilfe des Hauptzollbeamten D. (Name der Redaktion bekannt) das Trio am 24. Oktober 1988 um 4 Uhr früh fest. Für seine Wachsamkeit erhielt E. eine finanzielle Belohnung von 300 Kronen. Ein Verzeichnis der Gegenstände, die bei der Leibesvisitation beschlagnahmt wurden, zeigt, dass Holger auch den Zulassungsschein und die Garantiekarte für sein Auto abgeben musste. Die drei jungen Leute kamen ins Gefängnis, wo Krystina Hauck blieb eine Woche lang blieb, um anschließend an die ostdeutsche Stasi übergeben zu werden. In der "DDR" musste sie wegen versuchter Republikflucht für 19 Monate ins Gefängnis.
Amnestie und Mauerfall verkürzen die Haft
Entlassen aus dem Gefängnis wurde Krystina am 9. November 1989 – das war der Tag, an dem die Berliner Mauer fiel. Die zwei jungen Männer aus Westdeutschland, beschuldigt der Mittäterschaft und der Beihilfe zur Flucht, wurden bereits nach wenigen Tagen am 27. Oktober 1988 dank einer Amnestie des tschechoslowakischen Staatspräsidenten aus dem Gefängnis "Na Borech" im westböhmischen Pilsen (Plzeň) entlassen und nach Westdeutschland überstellt. Wie Richterin Věra Mathauserová sagte, hätten die beiden Männer ohne die Amnestie viel langer in tschechischen Gefängnissen sitzen müssen.Holger Frenzel erinnert sich: "Ich stieg im Gefängnis in Pilsen in ein Auto und wurde zur Grenze gebracht. Ich weiß nicht einmal, wer mit mir im Auto saß. Ich weiß nicht, ob es Grenzsoldaten, Polizisten oder andere Leute waren. Das letzte Stück der Reise fuhren wir durch den Wald zur Grenze, wo ich abgesetzt wurde. Hier holte mich meine Schwester ab. Heute kommt mir das wie ein Abenteuer vor, aber damals fand ich es überhaupt nicht lustig."
Wo ist der Manta?
Und der Manta? Laut der Protokolle des Bezirksgerichts Eger beschloss der Senat unter Vorsitz von Richter Jan Stužka am 2. Februar 1989, das Auto zu beschlagnahmen. Die Begründung: "Holger wollte Krystina ohne Genehmigung der tschechoslowakischen Behörden aus der Tschechoslowakei in die Bundesrepublik transportieren." So wurde der tschechoslowakische Staat Eigentümer des Opel Manta, der damals 600.000 Kronen – heute wären das 23.400 Euro – wert war. Wo das Auto gelandet ist, weiß niemand genau. Nach neuesten Informationen soll das Auto damals in einem Gebrauchtwagenhandel in Klattau (Klatovy), 43 Kilometer südlich von Pilsen, aufgetaucht sein. Leider war bislang nicht möglich herauszufinden, an wen und zu welchem Preis das Auto verkauft wurde oder ob es noch existiert.Kommentar:
Was hat diese Geschichte aus der Zeit kurz bevor der Eiserne Vorhang fiel, mit dem heutigen Tag der Deutschen Einheit zu tun? Es gibt einen Berührungspunkt: Als Jugendliche, es muss 1974 gewesen sein, gingen wir auf Klassenfahrt zur Leipziger Messe. Zwei Eindrücke sind von damals sind hängengeblieben: Der eine war der ausgestellte Opel Manta, der andere das Thema "Verteilsystem USA" in der US-Ausstellung.
Für junge Leute, die keine anderen Erfahrungen hatten als den sogenannten "real existierenden Sozialismus", war das der erlebbare Beweis, dass eine andere Welt existierte: Den Manta konnte man anfassen! Natürlich deckten wir uns mit Prospekten ein, jemals so ein "Westauto" selbst zu besitzen, war ja unvorstellbar. Das "Verteilsystem USA" war für die Kinder der Mangelwirtschaft ebenso beeindruckend, wurde doch gezeigt, wie jede Ware in den USA binnen eines Tages zum Zielort gelangt.
So brachte der Messebesuch sicher nicht den erwünschten Effekt, sondern zeigte, zu welchen Leistungen das auf grundlegenden Freiheiten basierende marktwirtschaftliche System – im Gegensatz zum tristen Sozialismus – fähig ist.
Dass Freiheit und Wohlstand mit irgendeiner Form des Sozialismus – weder der nationalen noch der internationalen – noch nie und nirgends erreicht wurden, daran sollte man zum Tag der Deutschen Einheit mal denken und bei dieser Gelegenheit die Demokratie hochleben lassen, meint Ihr
Thomas Beier
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- Quelle: Stanislav Beran / Kommentar: Thomas Beier | Foto ein Auto: pixel2013 / S. Hermann & F. Richter, Pixabay License; Foto mehrere Autos: JennPic / Ralph Wilfing, Pixabay License
- Erstellt am 03.10.2021 - 07:18Uhr | Zuletzt geändert am 03.10.2021 - 09:19Uhr
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