Gedenktafel für Gablonzer Architekten Robert Hemmrich

Gedenktafel für Gablonzer Architekten Robert Hemmrich Gablonz an der Neiße (Jablonec nad Nisou), 20. September 2021. Von Stanislav Beran. Heuer jähren sich die Geburtstage der Gablonzer Architekten Robert Hemmrich und Josef Zasche zum 150. Mal. Am Freitag, dem 10. September 2021, enthüllte der Gablonzer Bürgermeister Jiří Čeřovský unter Fanfarenklängen eine Gedenktafel für den Robert Hemmrich.

Abb.: Die Kunstgrundschule in Gablonz mit der noch verhüllten Gedenktafel
Foto: Stanislav Beran
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Bedeutende deutsch-böhmische Architekten

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Bürgermeister Jiří Čeřovský enthüllt die Tafel, die an den Architekten Robert Hemmrich erinnert
Foto: Stanislav Beran

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Die neue Gedenktafel wurde an der Fassade der Kunstgrundschule in der Podhorská-Straße 47, früher Gebirgsstraße, angebracht. Dieses 1924 von Hemmrich entworfene Gebäude ist auch heute noch für die Öffentlichkeit zugänglich, da es die Schule beherbergt. Die bronzene Gedenktafel für Hemmrich stammt von Jan Strnad, Künstler, Galerist und Kurator der Gablonzer Städtischen Galerie MY. Die Inschrift darauf ist Auf Tschechisch und Deutsch zu lesen. Sie lautet:

Robert Hemmrich
1.5.1871 – 15.4.1946
Ein Architekt, der maßgeblich das Antlitz seiner Geburtsstadt mitprägte. Nach seinen Entwürfen wurden öffentliche und Fabrikgebäude, Geschäftshäuser, das Stadtbad, Wohnhäuser und Villen erbaut. Autor von Aussichtstürmen und vieler weiterer Bauten in der Region des Isergebirges.

Nur auf Tschechisch folgt der Hinweis "Die Gedenktafel wurde von der Stadt Jablonec nad Nisou anlässlich des 150. Geburtstages des Architekten angebracht".

Robert Hemmrich

Robert Hemmrich kam am 1. Mai 1871 in Gablonz an der Neiße als ältester Sohn des Schlossermeisters Franz Hemmrich zur Welt und erhielt seine Ausnilduing an der Staatsgewebeschule in Reichenberg. Im Laufe seines Lebens entstanden 981 Gebäude nach seinen Entwürfen, davon rund 500 in Gablonz und Umgebung, weitere in Sachsen und Österreich. Prestigebauten waren das 1910 fertiggestellte Kaiser-Franz-Joseph-Stadtbad in Gablonz und das Kaiser-Franz-Joseph-Bad in Neustadt an der Tafelfichte aus dem Jahr 1911.

Vergleicht man die beiden Gebäude, so fällt sofort eine große Ähnlichkeit auf, jedoch war das Stadtbad in Neustadt bescheidener. Im Gegensatz zu dem in Gablonz blieb seine ursprüngliche Form erhalten. Und es erfüllt noch immer seinen Zweck. Das städtische Bad in Gablonz wurde in den 1960er Jahren einer ausgesprochen bedauerlichen Modernisierung unterzogen, bei der die ursprüngliche wertvolle Fassade zerstört wurde. Jetzt wartet das baufällige Gebäude auf eine neue Nutzung.

Auch das Hotel Schienhof am Altstädter Platz in Reichenberg, vom Reichenberger Baumeister Julius Keil im Auftrag des Reichenberger Kaufmanns und Fabrikanten Ignaz Schien aus Reichenberg-Rosenthal 1906 errichtet, wurde nach den Plänen Hemmrichs gebaut. Viele Gebäude sind als Kulturdenkmale geschützt, während andere in der städtischen Schutzzone in Gablonz unter Denkmalschutz stehen.

Robert Hemmrich – häufig "Aussichtsturm-Architekt" genannt – entwarf vier Aussichtstürme im Isergebirge:
  1. Der stolze Bau der Schwarzbrunnwarte mit steinernem Aussichtsturm und Restaurant wurde schon am 14. August 1905 eröffnet. Den Turm mit der wunderbaren Aussicht hatte sich der Gablonzer Gebirgsverein 100.000 Kronen kosten lassen. Er gehört zu den bekanntesten Türmen im Isergebirge.

  2. Am 4. Juli 1909 wurde die Kaiser-Franz-Joseph-Jubiläumswarte auf dem 831 Meter hohen Tannwalder Spitzberg eröffnet.

  3. 1912 entstand der 21 Meter hohe Aussichtsturm neben der Brambergbaude auf dem 787 Meter hohen Bramberg bei Wiesenthal.

  4. 1932 wurde der 27 Meter hohe Aussichtsturm auf dem Proschwitzer Kamm fertiggestellt. 2003 beschädigte ihn ein Brand, 2009 wurde er renoviert.
Hemmrich und seiner Familie blieb nach dem Zweiten Weltkrieg das traurige Schicksal der meisten Sudetendeutschen nicht erspart. Am 14. August 1945 wurden er, seine Frau Alma und seine Tochter Alma Neumann im Aussiedlungslager in Reinowitz interniert. Auf die schriftliche Anordnung der lokalen Verwaltungskommission vom 14. September 1945 wurde Hemmrich am 2. November 1945 aus diesem Lager entlassen und gezwungen, für das städtische Bauamt mehr als 1.000 Baupläne zu sortieren. "Er ist für die Stadt Gablonz unabkömmlich", stand in dem Brief an die Kommandantur des Lagers.

Kurz nach seiner Entlassung starb Robert Hemmrich am 15. April 1946. Seine letzte Ruhestätte fand er in der Familiengruft auf dem städtischen Friedhof. Seine geliebte und halbblinde Frau Alma und seine Tochter wurden enteignet und mußten Gablonz verlassen, am 23. Oktober 1946 wurden sie vertrieben.

Zurück in die Gegenwart: Nach der feierlichen Gedenktafel-Enthüllung fand im Konzertsaal der Kunstgrundschule ein Robert Hemmrich gewidmetes Jubiläumskonzert statt. Das Dvořák-Klavierquartett spielte Werke von Gustav Mahler und Robert Schumann. Die Veranstaltung hatte der Verein Musica Varia in Zusammenarbeit mit der Stadt Gablonz und der Städtischen Galerie MY vorbereitet.

Weitere Veranstaltungen

Die Enthüllung der Gedenktafel und das Festkonzert bildeten den Höhepunkt einer Reihe von Veranstaltungen, die dem 150. Geburtstag der beiden berühmten Architekten aus Gablonz gewidmet waren. Eine Gedenktafel für Josef Zasche, der unter anderem zwei Kirchen für seine Geburtsstadt entwarf, befindet sich seit 1999 an der Südseite der Herz-Jesu-Kirche auf dem Oberen Marktplatz.

Der Veranstaltung von Freitag folgte am Sonnabend, dem 11. September 2021, der Europäische Tag des offenen Denkmals, an dem man auch einige Räume des Gablonzer Rathauses besichtigen konnte. Diejenigen, die sich nicht scheuten, die Treppe zu erklimmen, konnten im Rathausturm ein nagelneues Modell des Aussichtsturms der Schwarzbrunnwarte ansehen, das die Gablonzer Modellbauer des Vereins Admiral erschaffen haben.

Die Ausstellung "Architektur für die Bergstadt Gablonz" zum 150. Geburtstag von Zasche und Hemmrich war bereits Anfang Juni 2021 eröffnet worden und richtete sich an alle, die mehr über die beiden Architekten und die von ihnen entworfenen Gebäude erfahren wollen. Sie erhielten die Möglichkeit, sich mit der Architektur auseinanderzusetzen und einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Neben historischen Fotos und Bauplänen wurden auch Gebäudemodelle von Hemmrichs Aussichtstürmen in der ursprünglichen Form gezeigt. Die Modelle waren eine Leihgabe des Technischen Nationalmuseums in Prag. Am vergangenen Sonnabend bestand die letzte Gelegenheit, diese Ausstellung, die dem Lebenswerk Zasches und Hemmrichs gewidmet war, in der Städtischen Galerie MY zu besichtigen.

Josef Zasche

Josef Zasche kam am 9. November 1871 in Gablonz als zweites Kind des Glasschleifers Josef Zasche und dessen Frau Franziska zur Welt. Seine Schwester hieß Amalia. Die Geschwister wurden bereits im Kindesalter zu Waisen, da zuerst die Mutter starb und dann der Vater 1881 mit 51 Jahren. Josefs Vormund wurde sein Onkel Anton Pfeiffer, ein Glaswarenexporteur.

Nach dem Besuch der Bürgerschule in Gablonz studierte er 1885 bis 1889 an der staatlichen Gewerbeschule für Bauwesen in Reichenberg, wo Adolf Loos, einer der Wegbereiter der modernen Architektur, sein Kommilitone war. Nachher ging er nach Wien, wo er ab 1889 an der Akademie der bildenden Künste bei dem bedeutenden österreichischen Architekten des Historismus und Hochschullehrer Karl von Hasenauer studierte. Später wurde Zasche Mitarbeiter und Assistent bei Friedrich Ohmann, einem der angesehensten österreichischen Architekten und Lehrer. 1892 schloß er sein Studium ab, gewann den Haggenmüller-Preis und absolvierte seine praktische Ausbildung im Konstruktionsbüro von Friedrich Schachner.

1895 zog er nach Prag, wo er sich dauerhaft niederließ. 1906 wurde er zum Baurat ernannt und begann, sich in Prag zu etablieren. Er hinterließ in vielen tschechischen Städten unvergessliche Spuren. Seine ersten wichtigen Bauprojekte realisierte er in Nord- und Westböhmen. Er entwarf die Sparkasse in Asch, die Blaue Villa für den Bildhauer Karl Wilfert junior sowie den Palast der Prager Eisengesellschaft, das Haus Zu den drei Reitern in der Prager Neustadt sowie das Geschäftshaus für den Wiener Bankverein in der Prager Altstadt. Für dieses Haus erhielt er die Auszeichnung für das beste Gebäude in Österreich-Ungarn in der Zeit von 1900 bis 1910.

1930 bis 1931 entstand nach Zasches Plänen die römisch-katholische Herz-Jesu-Kirche in Gablonz. Dabei bezog er die Rüdiger-Skulptur des in Böhmen geborenen Bildhauers Franz Metzner (1870-1919) ein, die er als Hauptfigur eines Brunnens vor der Kirche aufstellte. Nach der Vertreibung wanderte diese allerdings zu den im bayerisch-schwäbischen Kaufbeuren gestrandeten Gablonzer Landsleuten, die sich hier auf dem Gelände einer Munitionsfabrik mit Kaufbeuren-Neugablonz eine neue heimat schufen.

Zasche entwarf die Volksbibliothek Weinmanneum in Aussig, die nach Jacob Eduard Weinmann benannt wurde, das Bezirks-Armen- oder Kaiserin-Elisabeth-Haus in Komotau, das Geschäftshaus für den Assekuranzverein der Zuckerindustrie in der Prager Neustadt, die altkatholische Kreuzkirche in Gablonz und den Ausstellungspavillon Haus der Kunst auf der Deutsch-Böhmischen Ausstellung in Reichenberg. Er wurde als Jurymitglied zu Architekturwettbewerben eingeladen, war Mitglied des Kuratoriums der deutschen Sektion der Modernen Galerie in Böhmen, Mitglied der Deutschen Gesellschaft der Wissenschaften und Künste in der Tschechoslowakei und Vorsitzender der Gesellschaft deutscher Architekten in Böhmen. Außerdem war Josef Zasche Sozialdemokrat und Gegner der Nationalsozialisten.

Nichtsdestotrotz internierten ihn die Tschechen am 7. Mai 1945. Als die Vertreibung 1946 bevorstand, intervenierten seine tschechischen Kollegen mit einer Petition für den Verbleib des mittlerweile 75jährigen sudetendeutschen Pensionärs in seiner Heimat – erfolglos. Im Zuge der Vertreibung strandete Josef Zasche im sachsen-anhaltinischen Schackensleben nahe Magdeburg inmitten der Sowjetischen Besatzungszone.

Zu seinen tschechischen Architektenkollegen hatte er freundschaftliche Beziehungen gepflegt, mit vielen war er enger befreundet. Doch er war ein Deutscher und die tschechoslowakische Nachkriegsmaschinerie fegte nachsichtslos alle Deutschen aus dem Land. Zasche akzeptierte seine schwierige Situation in Sachsen-Anhalt nicht. Er versuchte trotz seines fortgeschrittenen Alters, auch in der Fremde mit seiner Expertise Geld zu verdienen, doch vergeblich. Zasche wandte sich an die tschechoslowakischen Staatsbehörden und versuchte zu beweisen, daß er sich in keiner Weise gegenüber der Tschechoslowakischen Republik schuldig gemacht hatte. Trotz all dieser Bemühungen wurde ihm nicht gewährt, sein Werk fortzusetzen. Vergessen und verarmt starb Josef Zasche am 11. Oktober 1957 in der kommunistischen "DDR".

Sein Geburtshaus in der Kreuzstraße in Gablonz steht noch immer und ist ein geschütztes Kulturdenkmal. Alle von ihm in Gablonz errichteten Gebäude sind ebenfalls erhalten geblieben. Sein Prager Atelier und das außergewöhnliche persönliches Archiv einschließlich seiner Bibliothek und aller Unterlagen waren bereits während seiner Internierung 1945 geplündert und zerstört worden. Sein wertvoller Nachlaß wurde mit Mistgabeln auf einen Lastwagen verladen und weggebracht.

Heute steht Josef Zasche auf der Liste der 50 bedeutendsten Persönlichkeiten des Kreises Reichenberg. Er ist einer der bedeutendsten deutschen Architekten in Böhmen.

Der Autor Stanislav Beran berichtet für Zeitungen und Online Medien im deutschsprachigen Raum aus dem Isergebirge. Er ist Dolmetscher und staatlich geprüfter Übersetzer für die deutsche Sprache, Herausgeber der Friedländer Zeitung und Heimatforscher. Im Internet informiert er mit einer eigenen Webseite über die Region Friedland in Böhmen.

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  • Quelle: Stanislav Beran | Fotos: Stanislav Beran
  • Erstellt am 20.09.2021 - 06:45Uhr | Zuletzt geändert am 20.09.2021 - 08:36Uhr
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