Leserzuschriften und Meinungsfreiheit

Bild zu Leserzuschriften und MeinungsfreiheitGörlitz, 13. Juli 2018. Von Thomas Beier. Diskussionen im Internet haben sich längst weg von den Nachrichtenplattformen in die Sozialen Netzwerke wie Facebook verlagert. Das führt zu Verzerrungen in dem, was für gut oder schlecht, wahr oder falsch empfunden wird. Eine kurze Argumentation, weshalb die Presse für die Meinungsbildung wichtig ist und dabei zugleich scheinbar die Meinungsfreiheit beschneiden muss.

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Nicht selbst zum Instrument der Meinungsmanipulation werden

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Die Lüge wirkt und ist in der Lage, viele Menschen zu mobilisieren: Unwesentliches aufbauschen, eine scheinsachliche Sprache verwenden, mit mürben Fakten und Zitaten untermauern – das ist das Instrumentarium
Fozo: Roland Schwerdhöfer, Pixabay und Lizenz CC0 Public Domain

Anlass für diesen Artikel ist eine Leserzuschrift, die gestern Nachmittag zu einem zweifelsohne wichtigen Thema, das vielen Menschen am Herzen liegt, eingegangen ist. Das Problem dabei: Der Inhalt ist zum allergrößten Teil aus einem Webauftritt zusammenkopiert, dabei mit einem Zitat einer vermeintlichen Autorität und Tatsachenbehauptungen durchzogen, die weder auf Sachkenntnis noch die Fähigkeit zur Fallbeurteilung schließen lassen und vor allen bei näherer Recherche zusammenfallen, weil amtlicherseits nicht bestätigt.

Aber am Ende der Zuschrift wird versucht, den Görlitzer Anzeiger für die eigenen, emotional gesteuerten Interessen vorzuspannen: "Machen Sie die Öffentlichkeit aufmerksam und sensibilisieren Sie die Menschen...", "...schreit zum Himmel!" und dann noch: "Mut zur Recherche und wahrer Journalismus sind ausgestorben!" – ein tolle Keule, wenn sich die Medien nicht vor den eigenen Karren spannen lassen.

Masse versus Qualität

Das ist ja eines der großen, viel zu wenig beachteten Risiken der Sozialen Netzwerke: Oft in Sekundenbruchteilen wird geliked und geteilt und damit eine Quantität erzeugt, die manchem als neue Qualität erscheint. In den Sozialen Netzwerken sind alle gleichberechtigt und kommen zu Wort. Ausgetauscht werden jedoch meist nur Meinungen, die oft genug weder mit Wissen noch Lebenserfahrung zu tun haben.
Wer sich fest auf dem Boden der Demokratie verankert fühlt, der weiß sehr wohl um eine Gefahr: Es ist nicht so, dass die Mehrheit auch zwangsläufig Recht hat, besser gesagt, den besten Lösungsansatz vertritt. "Der Mob ist dumm und manipulierbar", ist ein Satz, der Lenin zugeschrieben wird. Dass Manipulation besonders gut mit dem Schüren von Zukunftsängsten und der Übertreibung im Menschen tief verankerter Zugehörigkeitsgefühle zu Gruppen, Regionen oder Nationen funktioniert, kann man in der Gegenwart gut nachvollziehen. Aber auch das Anprangern von Missständen erzeugt solche Effekte, ganz unabhängig davon, ob das Motiv dafür echtes Mitleid oder die Gelegenheit zur Selbstdarstellung ist; man könnte sagen: Je stärker jemand versucht, die Menschen auf emotionaler Ebene mitzureißen, um so mehr geht es um pure Macht. Und dann kommen noch jene hinzu, die lediglich aus Kalkül politische oder gesellschaftliche Positionen besetzen – auch dafür liefert die Gegenwart Fallbeispiele wie in einem Panoptikum.

Meinungsfreiheit bedeutet nicht Anspruch auf Weiterverbreitung

Im Gegensatz zum Getöse in den Sozialen Netzwerken und dem, was jeder im Zuge seiner Meinungsfreiheit auf weiteren Kanälen verbreiten kann, möchten wir uns beim Görlitzer Anzeiger nicht als Meinungsverstärker oder -multiplikator missbrauchen lassen – das gehört für uns zum zitierten "wahren Journalismus". Das heißt jedoch nicht, auf eine sterile Weise "neutral" zu sein, denn es liegt in der Natur der Dinge, dass die Nachrichtenauswahl und die sprachliche Bearbeitung und Illustrationen eine Einflussnahme darstellen. Dennoch meiden wir, was mit der Leserzuschrift bewirkt werden sollte: Die Manipulation der öffentlichen Meinung im Interesse von Leuten mit betoniertem Weltbild, die nicht in der Lage sind, sich in den Widersprüchen der Welt zu orientieren.
Weil Meinungsmanipulation jedoch eine subtil wirkende Angelegenheit ist, bleibt das, worauf sich die Leserzuschrift bezog, umgenannt: Es reicht nämlich bereits aus, einen Vorwurf zu erwähnen, damit ein Schmutzfleck hängenbleibt, den dann andere Medien (und dank der Sozialen Netzwerke auch Personen) in der Meinung, objektiv zu berichten, multiplizieren und verstärken.

Und nun?

Die Leserzuschrift kam anonym, allerdings lässt die E-Mail-Adresse darauf schließen, dass es sich um eine Dame aus der linken Szene handelt. Mein Tipp: Gehen Sie selbst zum Ort Ihrer Kritik, reden sie mit den Leuten. Ich bin mir sicher, die würden sich freuen. Und bitte schreiben sie uns von dieser Begegnung. Das ist freilich schwieriger, als vorgefasste und einseitig gefärbte Positionen zusammenzustellen und weiterzuverbreiten.

Fazit

Die Lüge wirkt und ist in der Lage, viele Menschen zu mobilisieren: Unwesentliches aufbauschen, eine scheinsachliche Sprache verwenden, mit mürben Fakten und Zitaten untermauern – das ist das Instrumentarium, auf das viele hereinfallen.

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  • Erstellt am 13.07.2018 - 10:37Uhr | Zuletzt geändert am 13.07.2021 - 20:16Uhr
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