Geschichte tiefgründiger aufarbeiten
Görlitz-Zgorzelec. Mit einer Gedenkveranstaltung anlässlich des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 ist am 17. Juni 2007 der Kongress der Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen und der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur in Görlitz zu Ende gegangen.
Kongress der Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen und der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur mit Gedenkveranstaltung feierlich beendet
Bei seiner Ansprache betonte Markus Meckel, dass der 17. Juni 1953 nur ein Mosaikstein des vielfältigen und zum Teil kaum bekannten Widerstandes war, der in Osteuropa den Kommunismus letztlich zum Einsturz brachte. Der Kampf für Freiheit sei kein nationalstaatlicher, sondern ein europäischer. Der Volksaufstand begründete eine Freiheitstradition, auf die wir uns heute stärker berufen sollten. Der Menschenrechtsbeauftragte Günter Nooke verwies darauf, dass er nur dann im Ausland glaubwürdig für das Eintreten für Menschenrechte werben könne, wenn in der Bundesrepublik die Opfer der politischen Gewaltherrschaft angemessen gewürdigt werden. Deshalb sei er froh, dass nach 17-jähriger Diskussion nun eine Opferrente für die SED-Haftopfer beschlossen wurde. Günter Mühle, ehemaliger Bautzenhäftling, betonte, dass die Erfahrungen des Widerstandes von damals insbesondere der jüngeren Generation vermittelt werden sollten. Es müsse klar sein, dass politische Morde auch dann als Menschenrechtsverbrechen zu bewerten sind, wenn sie von Kommunisten begangen wurden.
Der Kongress zum Thema "Widerstand gegen den Kommunismus - Teil der europäischen Freiheitsbewegungen" tagte mit rund 200 Teilnehmern aus Verfolgtenverbänden und Aufarbeitungsinitiativen aus ganz Deutschland und internationalen Gästen.
Eröffnet wurde der Kongress durch den Sächsischen Ministerpräsidenten, Prof. Georg Milbradt, der in seiner Ansprache die besondere Bedeutung des Volksaufstandes am 17. Juni 1953 in Görlitz hervorhob. Sachsens Ministerpräsident unterstrich die Bedeutung der Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit und verwies dabei auf die besondere Rolle der BStU. Die Stasi-Akten geben nicht nur Auskunft über die politische Verfolgung. Sie belegen auf vielfältige Weise den Widerstand in der DDR. Für die Vermittlung der Geschichte, so Milbradt, seien gerade authentische Orte der Verfolgung wichtig. Deshalb wünsche er sich bei den Diskussionen um ein neues Gedenkstättenkonzept zur deutschen Diktaturgeschichte, bei denen es auch um die konzeptionelle Ausrichtung von Gedenkstätten geht, schnellere Erfolge.
Dr. Kazimierz Wóycicki, der Direktor der Stettiner Außenstelle des Polnischen Institutes des Nationalen Gedenkens, sprach in seinem Vortrag am Samstag von einer „Krise der Geschichtsaufarbeitung in Ostdeutschland“. Die Ursache sieht er u. a. darin, dass es im Jahr 1989/90 versäumt wurde, eine tiefgründige Aufarbeitung des Nationalsozialismus in Gang zu setzen. Da in der DDR ein kritischer Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit durch den staatlich verordneten Antifaschismus, der jedoch nur eine große Manipulation war, ersetzt wurde, müsse die gegenwärtige Geschichtsaufarbeitung dies leisten und bei 1933 beginnen. Schließlich könne die zweite Diktatur nicht nachhaltig aufgearbeitet werden, wenn die erste nicht angemessen aufgearbeitet wurde. Dies gelte auch für die Arbeit der Birthler-Behörde.
Tobias Hollitzer vom Bürgerkomitee Leipzig äußerte sich im anschließenden Podium zum Thema „Erinnerungskultur heute“ besorgt über die derzeitigen Diskussionen in verschiedenen Gedenkstätten und Stiftungen. Oft scheint hier die Sacharbeit von politischen Implikationen überlagert zu sein. Perspektivisch sei es jedoch grundlegend wichtig, sowohl den Nationalsozialismus als auch den Kommunismus als Diktatur zu werten und beides im Zusammenhang zu betrachten.
Die Bundestagsabgeordneten Arnold Vaatz, Markus Meckel und Wolfgang Wieland stellten sich am Nachmittag einer Diskussion zu der in der zurückliegenden Woche vom Bundestag beschlossenen Opferrente für Haftopfer des SED-Regimes. Die Vertreter der Opferverbände bedankten sich bei den Abgeordneten für ihr jahrelanges Engagement für eine angemessene Entschädigung für das erlittene Unrecht - auch wenn aus Sicht der Betroffenen erheblicher Nachbesserungsbedarf an dem Gesetz bestehe. So wurde von den Opfern kritisiert, dass bestimmte Opfergruppen, wie die Zersetzungsopfer, die Zwangsausgesiedelten und die Zivilverschleppten nicht berücksichtigt wurden. Zudem werde die beschlossene Bedürftigkeitsklausel von den Betroffenen nicht als würdigende Anerkennungsrente betrachtet, sondern lediglich als soziale Ausgleichsmaßnahme.
Die Abgeordneten verwiesen darauf, dass die beschlossene Rente ein Kompromiss der Koalition war, der ein erster Schritt in die richtige Richtung sei. Sowohl Meckel als auch Wieland und Vaatz hätten sich persönlich mehr von dem Gesetz versprochen.
Die Veranstalter und Teilnehmer des Kongresses äußerten sich positiv zu den Fachdiskussionen in den verschiedenen Podien und hoben vor allem den Austausch mit den Gästen aus Ostmitteleuropa hervor. Die Geschichtsaufarbeitung heute dürfe nicht nur in die Vergangenheit schauen, sondern müsse Zukunftsperspektiven aufzeigen und bürgerschaftliches Handeln hervorbringen, insbesondere dort, wo der Kampf für Freiheit und Demokratie behindert werde.


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- Quelle: /Nancy Aris
- Erstellt am 17.06.2007 - 20:02Uhr | Zuletzt geändert am 17.06.2007 - 20:13Uhr
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