Ingenieure am Kamin

Ingenieure am KaminGörlitz, 23. Dezember 2022. Wenn Ingenieure gemeinsam einen vorweihnachtlichen Kaminabend verbringen, dann ist das nicht frei von Risiken. Eines davon: Das Gespräch rutscht ab in Fachthemen und einer weiß wieder mal besser als der andere, wie irgendetwas funktioniert oder nicht funktionieren kann.

Abb.: Sind Frauen dabei, verlaufen Gespräche mit technisch geprägten Leuten weit amüsanter und weniger anstrengend
Symbolfoto: irinakeinanen, Pixabay License
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Ein Disput unter Technikern, zum Glück ohne Folgen

Solche Leute, die gar nicht wissen wollen, wie etwas funktioniert, solange es nur funktioniert, sind unter Technikern und erst recht nicht unter Ingenieuren zu finden. Ganz im Gegenteil: Oft hat jeder das Pulver erfunden und kann alles schlüssig erklären.

Schadet das Heizen mit Holz der Umwelt?

Im konkreten Fall begann der Disput am Kamin harmlos. Die aufgeworfene Frage war, ob denn das wieder an Beliebtheit zunehmende Verbrennen – ebenfalls zunehmend das vorherige Stehlen – von Holz tatsächlich so eine Umweltsünde sei, wie in jüngerer Zeit immer wieder behauptet wird. Immerhin gilt Holz in Bezug auf die Kohlendioxidfreisetzung als neutral: Bei der Verbrennung wird nicht mehr Kohlendioxid frei, als das Holz während seines Wachstums aufgenommen hat.

Genauer gesagt geht es bei der Kohlendioxidfrage um das Grün der Bäume, als Blätter und Nadeln, wo aus Licht, Wasser und Kohlendioxid energiereiche Glukose – Zucker – und Sauerstoff entstehen. Das System ist genial, denn den Zucker können die Pflanzen als Energielieferanten speichern und das Abfallprodukt Sauerstoff wird zum Atmen benötigt.

Zack! Und schon kam der erste Ingenieur-Einwand: Würde man das Holz nicht verbrennen, sondern verrotten lassen, bliebe das Kohlendioxid viel länger gespeichert. Die Atmosphäre würde dadurch entlastet, was ein Beitrag sei, um den Klimawandel auszubremsen. Die Gegenrede, dass die Menschen doch schon seit Jahrtausenden – die Angaben schwanken zwischen 400.000 und anderthalb bis zwei Millionen Jahren – Holzfeuer nutzen, galt nichts, heute gebe es eben andere Rahmenbedingungen.

Die Natur als komplexes System verstehen

Wovon viele Techniker eher wenig wissen: Schon die alten Griechen kannten die vier Grundelemente Erde, Wasser, Luft und eben Feuer. Auch bei den fünf Elementen der Chinesen ist das Feuer neben Wasser, Luft, Erde, Holz und Metall zu finden. Später ist es Hildegard von Bingen, die im 12. Jahrhundert ihre Lehre von Mensch und Natur auf Erde, Wasser, Luft und Feuer aufbaut. Schon immer war es für Wissenschaftler selbstverständlich, die Natur als Netzwerk zu begreifen.

Erst im 19. und vor allem im 20. Jahrhundert wurden Ursache-Wirkung-Beziehungen losgelöst von komplexen Zusammenhängen betrachtet, etwa in der Landwirtschaft, vereinfacht gesagt: Mit diesem Dünger steigt der Ertrag, mit dieser Chemikalie werden Schädlinge bekämpft – und um Auswirkungen etwa auf die Artenvielfalt oder das Grundwasser machte man sich keine Gedanken. Erst angesichts dramatischer Veränderungen setzte in den letzten Jahrzehnten ein Umdenken ein, ähnlich wie beim Klimawandel.

Die Sache mit den Kaminöfen

Die Ingenieursrunde kam so langsam in Fahrt und verhakte sich im Holz, das bei seiner Verbrennung erhebliche Mengen an Feinstaub freisetze. Solche Diskussionen sind längst in die Praxis umgeschlagen: Nicht ohne Grund müssen nach dem 31. Dezember 2024 nun auch Öfen und Kaminöfen, die vor dem 21. März 2010 gebaut wurden, außer Betrieb genommen werden – sofern sie nicht nachweislich die in der 1. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vorgeschriebenen Kohlenmonoxid- und Feinstaubwerte erfüllen.

Eine ingeneurtechnische Lösung – nicht für die Praxis

Den Kaminofen nach 14 Jahren verschrotten oder – wenn es geht – nachrüsten, aha. Wer nur Gelegenheits-Kaminofenheizer ist, darf sich an den Kopf fassen. Nicht so die Ingenieure, die produzierten die nächste Idee: Man müsste die Kaminabgase kontinuierlich erfassen und möglichst dabei analysieren. Dann könne man einen Grenzwert festlegen, bis zu dem auch ältere Kaminöfen – etwa aus reiner Nostalgie oder Liebhaberei – weiterbetrieben werden dürfen.

Neues Thema in der Ingenieursrunde: Wie misst man, selbstverständlich exakt, die Menge eines Gases, das durch ein Schornstein- oder Ofenrohr strömt – und zwar ohne das Rohr zu beschädigen oder etwas in den Gaskanal einzubauen? Nur einer der Diskutanten kannte die Lösung: Ultraschall.

Und es geht doch!

Wenn man erst einmal darauf gekommen ist, scheint es einfach. Strömt ein Gas durch ein Rohr, dann kommt der Ultraschall in Strömungsrichtung schneller voran als gegen die Strömung. Das ist wie bei einem Flussdampfer auf der Elbe: Stromaufwärts, gegen die Strömung, hat er zu kämpfen, stromabwärts geht es flott und der Dampfer muss im Grunde nur noch angetrieben werden, um steuerbar zu bleiben.

Um beim Gas zu bleiben: Man braucht an einem Rohr also Ultraschallgeber und Ultraschallsensoren, die ein Stück weiter das Signal wieder einfangen. Klar ist die Realität komplizierter, weil mehrere Faktoren eine Rolle spielen. Dennoch sind präzise Gasdurchflussmesser für die Industrie heute Standardbauteile, auch wenn sie eine Aura von Hightech umgibt.

Also wurde ein Tablet-PC herbeigezaubert, damit sich alle Anwesenden diese erstaunlichen Messgeräte anschauen konnten. Offenbar war das Thema damit umfassend bearbeitet und als kurz vor dem Ausgehen des Feuers etwas Kaminholz nachgelegt wurde, gab es erstaunlicherweise keinen weiteren Kommentar. Das nächste Thema war übrigens das Grillen und Grillgeräte. Ein leidenschaftlicher Koch oder Grillmeister hätte angesichts der hervorgebrachten Theorien die Flucht ergriffen...

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  • Quelle: TEB | Foto: Suomi / irinakeinanen, Pixabay License
  • Erstellt am 23.12.2022 - 19:42Uhr | Zuletzt geändert am 23.12.2022 - 20:13Uhr
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