März-Mitteilungsblatt des zur Sache! e.V.

Görlitz, 12. März 2014. "Wie viel Leben ist in einer Stadt, wo der Stadtrat ein ums andere Mal nicht tagt?", fragt der zur Sache! e.V. in seinem aktuellen Mitteilungsblatt. Der Görlitzer Anzeiger als unabhängige Plattform macht Informationen des zur Sache! e.V. - wie auch die von anderen demokratischen Organisationen in Görlitz zur Veröffentlichung bereitgestellten - zugänglich.

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Wie das Kommunalamt des Landkreises Görlitz die Zukunft von Görlitz beschreibt

Thema: zur Sache! e.V.

zur Sache! e.V.

zur Sache! e.V. ist eine Wählervereinigung, die am 16. Februar 2009 in Görlitz gegründet wurde.

Das nachstehende sowie zum Download bereitgestellte Dokument gibt nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion, sondern die persönliche Auffassung der Verfasser wieder.

zur Sache! e.V.
Mitteilungsblatt März 2014


Liebe Mitglieder,
sehr verehrte Damen und Herren,

dieses Informationsblatt unseres Vereins erscheint in der Zeit wichtiger Ereignisse in Görlitz. Wir wollen Informationen geben, die für die Beurteilung und Entscheidung anstehender Probleme wichtig sind. Unsere Bitte ist: Unterstützen Sie unsere Arbeit dadurch, dass Sie diese Informationen weitergeben oder uns wissen lassen, wer an diesem Mitteilungsblatt Interesse haben könnte.

Geschrieben am Tag der geplanten 77. Sitzung des Stadtrates, vom Stadtrat einstimmig beschlossen, vom Oberbürgermeister (ohne Beratung und Beschluss des Stadtrates) abgesagt. Die SächsGemO §27 (1) sagt, dass dem Stadtrat die kommunalpolitische Vorrangstellung zu kommt. Er bestimmt die Richtlinien der Gemeindepolitik. Lebendige Städte ändern sich täglich. Aufgabe des Stadtrats ist es, diese Veränderungen zu befördern, zuweilen ihre Richtung zu steuern. Wie viel Leben ist in einer Stadt, wo der Stadtrat ein ums andere Mal nicht tagt?

Inhalt
1. E r i n n e r u n g
2. Rat-lose Stadt
3. Kleine Probleme - große Probleme - Existenzprobleme
4. Recherchepflicht vor Berichterstattung I
5. Recherchepflicht vor Berichterstattung II
6. Verachtete Not

1. E r i n n e r u n g

Es war einmal - so beginnen schöne Märchen. Hier jedoch geht es um eine wahre Begebenheit. Also, es war einmal, dass Görlitz einen ausgeglichenen Haushalt hatte, dass damals, vor wenigen Jahren, der OB Paulick den Versuch einer Steuersenkung machen wollte und im Stadtrat den Antrag stellte, er habe die Voraussetzungen erfüllt und wolle nun dem Willen der übergroßen Mehrheit der Görlitzer nachkommen und mit der Renovierung der Stadthalle beginnen. Aus diesem wunderbarvernünftigen Beginnen machten die "Bürger für Görlitz" und die CDU Makulatur. Sie übernahmen einschließlich des neuen Oberbürgermeisters die Führung der Stadt in eine Zukunft, die das Kommunalamt des Landkreises Görlitz so beschreibt:

1. Die Leistungsfähigkeit von Görlitz ist nur noch 2013 gesichert,
2. Die Schuldentilgung der Stadt ist in keinem Jahr ausreichend,
3. Die Steuereinnahmen im Haushaltsplan sind zu hoch angesetzt,
4. Die Haushaltsplanungen vermindern die Mittel der Stadt um 10 Millionen.

2. Rat-lose Stadt

Einer der Gestalter der Görlitzer Politik muss in den letzten Wochen sorgenvoll in die Gemeindeordnung des Freistaates geschaut haben. Und da las er im Kommentar zu §2, dass bei der Erfüllung der Pflichtaufgaben den Gemeinden nur das "Ob", nicht das "Wie", die Art und Weise der Durchführung ihrer Aufgaben, vorgeschrieben ist.
Dann fiel ihm die Stadt Schilda ein, bekannt für originelle Problem-Lösungen. Aus dieser Stadt stammt das Sprichwort: "Wem das Wasser bis zum Halse steht, der sollte den Kopf nicht hängen lassen." Und die Themen des herannahenden Stadtrates waren so ein "Wasser": "Probleme erkennen und unangenehme Fragen ertragen". Da war die Lösung auf Schildaer Art doch leichter. Fröhlich ging der Kopf wieder hoch und der 77. Stadtrat wurde einfach abgesagt, ganz nach der unbeschwerten Art von Schilda.

Der Vorgang ist nicht anders vorstellbar: Vom Stadtrat losgelöst kam es in einem Hinterzimmer zwischen dem Fraktionsvorsitzenden Weidle (BfG) und Gleisberg (CDU) mit dem OB Deinege zur üblichen Kungelei. Wahrscheinlich wird auch Herr Beutler von der SZ informiert gewesen sein, denn der pflichtgemäß zu erwartende Kommentar zu diesem höchst ungewöhnlichen Vorgang unterblieb. Aufgabe des Stadtrates bleibt es nun einmal, die anwachsenden Probleme in der Stadt - und es gibt erdrückende Probleme - zeitgerecht regelmäßig zu diskutieren. Dass diese beiden Stadträte nun offensichtlich mitwirken, alle Probleme wenigstens auf Zeit unter den Tisch zu kehren, zeigt nur, wie ernst sie ihre Fürsorgepflicht für die Stadt nehmen. Nach der Sächsischen Gemeindeordnung sollten sie zuerst den Oberbürgermeister kontrollierend begleiten, ihm aber nicht zu solchen "Schwarzfahrten" auch noch das Benzin liefern.

Der vorgebliche Grund der Absage ist einfach peinlich. Der OB habe seine Vorlagen für den Stadtrat nicht rechtzeitig hingekriegt. Wie kann sich einer selbst so bloßstellen und wie ein Schüler bekennen, er schaffe seine Schulaufgaben nicht. Früher, als die Lehrer oft gnädiger waren, hatte das mit einer Stunde "in der Ecke stehen" sein Bewenden, heute heißt es einfach: Unfähig, nicht bestanden.

Dabei haben auch Herr Gleisberg (CDU) wie Dr. Weidle (BfG) mehr als genug Gründe, Diskussionen in der Öffentlichkeit zu meiden. Nur mit Staunen kann man die geistige Armut des CDU-Wahlprogrammes zur Kenntnis nehmen. Wirtschaft und Entwicklung des Berzdorfer Sees stehen an erster Stelle. Was aber wurde in den letzten 5 Jahren von der CDU dafür getan? Steuersenkungen für die Wirtschaft wurden verhindert. Der erfolgreiche Werbefeldzug OB Paulicks für den Standort Görlitz gegenüber Schweizer Firmen wurde madig gemacht, obwohl man sich heut mit diesen Federn gern schmückt. Hat die CDU mit ihren nach Dresden reichenden Verbindungen irgendetwas getan, um das Fiasko der Verhandlungen zum "Hotel Kondensatorenwerk" zu verhindern? Viele Reden zum Problem Berzdorfer See haben an der Öde dort nichts geändert. Im Gegenteil, es ist ein Beschluss gefasst worden, die wenigen Arbeitsplätze, welche sich im Bereich der ehemaligen Tagesanlagen in Tauchritz befinden, auch noch zu vernichten.

Das dritte Thema im Wahlprogramm zeigt, wie weit die CDU-Görlitz außerhalb der Gegenwart lebt. "Bewerbung für die Landesgartenschau" heißt es da als Wunschvorstellung. Ist es der CDU wirklich entgangen, dass sich die Bewerbung längst erledigt hat? Vor Jahresfrist wurde der OB im Stadtrat gefragt, wie es sich mit der Landesgartenschau verhalte, ob eine Bewerbung sinnvoll sei. "Wir sind schon mitten drin", war die Antwort. Darauf die kritische Anmerkung eines zweiten Stadtrates, dann gehört das Problem vor den Stadtrat. Aber nichts geschah. Erst vor wenigen Tagen hörten wir ganz plötzlich vom OB, aus der Landesgartenschau wird nichts. Man habe es nicht geschafft, die Anträge zeitgerecht auszufüllen. Die Ausstellung geht nun nach Bischofswerda. Dort hat man es wohl geschafft, die Anträge rechtzeitig auszufüllen. Taten sagen mehr als Worte, deshalb kein Kommentar zu diesem traurigen Versagen, ja einem doppelten Versagen. Denn es gab zwingende - finanzielle - Gründe, eine Bewerbung gar nicht erst zu erwägen. Aber das wurde weder im Rathaus noch von der CDU erkannt.

Wesentlich ist: Das ganze Wahlprogramm der CDU Görlitz ist ein über weite Strecken gedankenlos abgeschriebenes Plagiat der CDU Sachsen. Nirgendwo ist die Mühe zu erkennen, dieses Programm auf Görlitzer Verhältnisse umzuschreiben – für Görlitz zu präzisieren. Und, wo das im Kurzprogramm einmal versucht wird, ist es ein Schmuck mit fremden Federn (die Erneuerung des Stadions der Freundschaft wird von allen Fraktionen getragen und ist von allen längst beschlossene Sache) oder man verirrt sich in völlig fremde Welten. Denn weder Herr Ursu noch Herr Gleisberg haben Einfluss auf die Förderung der Hochschule Zittau-Görlitz oder auf die personelle Ausstattung der sächsischen oder der Bundes-Polizei und deren Formen der Zusammenarbeit mit der polnischen Polizei. Wie soll man so etwas nennen? Geistiges Mangelsyndrom?, fehlender Fleiß?

Gänzlich unterlassen hat man aber jedes Wort zur Bezahlbarkeit dieses Wunschzettels. Wozu auch, die Stadt hat sowieso bald kein Geld mehr, aber wir (die CDU) haben dazu die Visionen!

Sicher ist, dieses Programmplagiat will den Glanz einer erfolgreichen Landes-CDU in die Armut einer erfolglosen Provinz-CDU ausstrahlen lassen.

Und die "Bürger für Görlitz"? Hat es je eine Fraktion gegeben, deren Fraktionsspitze seit weit über 20 Jahren in der Görlitzer Politik unverändert "mitmischt" und so zum Uralteisen gehört? Überall sonst hat sich in so vielen Jahren dreimal die Führung verjüngt, sich den modernen Anforderungen neu gestellt, nicht bei den "Bürgern". An den politischen Rezepten längst vergangener Jugendjahre, wie an Dankadressen in Richtung geglaubter Obrigkeit, wird weiterhin festgehalten, ebenso an dem alten Rezept, für nichts wirklich uneingeschränkt Verantwortung zu übernehmen. Wer ist bereit, zu zählen, wie oft Fraktionsführer Weidle in Sachen Stadthalle seine Meinung der wechselnden Windrichtung in Görlitz angepasst hat? Wir wagen es nicht, eine Zahl zu nennen.

Das klingt alles noch amüsant und regt zum Spott an. Nicht zuletzt die unendliche Tragikomödie "Helenenbad". Für den Aufschwung der Görlitzer Wirtschaft aber ist diese Politik brandgefährlich. Dass 20 Jahre lang zugunsten des Theaters die Wirtschaftsförderung vernachlässigt wurde, dafür büßt die Stadt noch heute. Kann man denn einen Bremser zum Fahrer wählen? Alles das "natürlich von uns ganz unverbindlich gesagt und keinesfalls für immer", so ein wenig spöttisch dem O-Ton der BfG nachempfunden.

Die Stadträte von FDP und Grünen haben sich durch ihren Anschluss an die Koalition CDU/BfG in deren Abhängigkeit begeben. Ihre Programme sind Schaufenster ohne Ladengeschäft.

"Zur Sache!", gleich wie nahe oder fern man diesem unabhängigen Verein, der keiner Partei angehört, steht, hat die städtische Politik kritisch begleitet, nie etwas nur abgelehnt, sondern immer begründet und konstruktiv gehandelt. Der Verein musste mit Bedauern registrieren, dass er über und unter dem Tisch oft übel behindert wurde. Dabei wurden Argumente durch Unwahrheit und fehlende Fairness ersetzt. Unser Ziel bleibt, alle Vorgänge im Rathaus für den Bürger transparent, also sichtbar zu machen. Jeder muss sehen und wissen, was hinter der Bühne und unter den Tischen passiert. Nur gute Information führt zu guten Entscheidungen.

3. Kleine Probleme - große Probleme - Existenzprobleme

Helenenbad, Salzkristall-Denkmal, Berzdorfer See, Jugendzentrum oder Stadthalle, alles sind ungelöste „Dauer-Brenner“ der Stadtpolitik. Einvernehmliche Lösungswege sind nicht in Sicht, zumal nicht nur Bürgermeister Wieler im Stadtrat meinte, es sei doch alles in Ordnung. Was der Nachfragende denn nur wolle? Jede kritische Frage verhallt ungehört oder wird als Populismus diskreditiert. Die Zahl und die Wahrnehmung der Probleme erinnert an den Vorwurf eines Lehrers, 66% der Klasse könnten nicht rechnen und die Zurückweisung dieses Vorwurfes: "So viele sind wir ja gar nicht." Genug, ja übergenug, meinen Sie? Es wird aber noch viel schlimmer. Immer schneller bewegt sich auf die Stadt ein Problem zu, das alles Bisherige in den Schatten stellen wird. Niemand spricht davon. Sie sollten es wissen:

Die Landesdirektion hat im Februar den Nachtragshaushalt des Landkreises für 2014 mit einem Volumen von 467 Mio Euro bei einem Defizit von 18,5 Mio Euro, einer Kreditaufnahme von 3,5 Mio Euro und einer Kreisumlage von 33,5% freigegeben. Das war jedoch nur auf Grund einer Übergangsregelung möglich, die es den Kommunen bis 2016 erlaubt, in den Haushalten Abschreibungen (planmäßige oder außerplanmäßige Wertminderungen von Vermögensgegenständen) unberücksichtigt zu lassen.

Was wird die Stadt Görlitz tun, wenn diese oben genannten Abschreibungen auf Investitionen 2 0 1 6 aber auch in den Görlitzer Haushalt gebucht werden müssen? Dann kommen Millionenbeträge auf die Stadt zu, die sie nicht hat, die aber irgendwie erwirtschaftet werden müssen. Diesen Abschreibungen stehen nämlich keine zusätzlichen Einnahmen gegenüber, keine Steuern, keine Gebühren oder Zuweisungen vom Land. Der Landkreis hat bei einer so unausweichlichen Kluft zwischen Einnahmen und Ausgaben die Möglichkeit, die Kreisumlage zu erhöhen und wird das wohl auch tun müssen, Görlitz aber kann seine Verpflichtungen nicht in dieser Art auf andere abwälzen.

Zur Erklärung des recht abstrakten Begriffes "Abschreibung" das Lehrbuchbeispiel "Friedhof": Abschreibungen für Investitionen in die Friedhofsanlage meint die Ansammlung von Barmitteln bis zur Höhe des Geldwertes der Friedhofsanlage (Trauerhalle, Krematorium). Abschreiben heißt also die Friedhofsgebühren auf die notwendige Höhe dafür festzusetzen. So kann die dem Wert der Anlage entsprechende Summe angespart werden, um später die veraltete Anlage zu modernisieren, zu sanieren oder zu ersetzen.

Diesen Zwang zum Ansparen begründet einmal der Generationenschutz. Die Bürger von morgen sollen keine heruntergewirtschafteten Gebäude von uns Heutigen übernehmen müssen. Zum anderen wird aber auch vermutet, dass der Freistaat dadurch einen höheren Grad der Selbstfinanzierung der Kommunen erreichen will, um sich zunehmend aus den Förderprogrammen zurück zu ziehen.

Überall in Görlitz, wo Abschreibungen zu bilden sind, muss also die Stadt ab 2016 in jedem Jahr einen Betrag zur Seite legen, um einen späteren Neubau oder eine Sanierung zu ermöglichen. Aber Schulen und Kitas können nicht mit noch höheren Beiträgen belastet werden und woher das Geld nehmen? Gar nicht zu reden von den Bauten der Kultur, von Verwaltungsgebäuden oder Sportanlagen, den Straßen, Gehwegen und Brücken. Überall werden in irgendeiner Form die Preise erhöht werden müssen. Wer hat den Mut dazu, wer will das vor den Bürgern verantworten, gar durchdrücken? Denn kein Bürger wird verstehen, dass er plötzlich überall vielleicht das Doppelte des Bisherigen von seiner sowieso schon knappen Kasse für eine ungeborene Generation zahlen soll.

Die Besänftiger und die Blauäugigen sagen jetzt: Dieses Problem bekommen aber alle Kommunen. Das beunruhigt uns noch lange nicht. Großer Irrtum. Unter den Kommunen, die die Doppik inzwischen eingeführt haben, sind erfolgreiche Gemeinden mit weiterhin gelungenem Haushalt und Kommunen, die vor der sich weit öffnenden Schere von Einnahmen und Ausgaben verzweifeln und jede haushälterische Gestaltungskraft verlieren. Soll es Görlitz so ergehen wie der Kommune Liebstadt (LK Sächsische Schweiz/Osterzgebirge): Ihr schrieb die Kommunalaufsicht: "Die Genehmigung für alle Ausgaben der Stadt von mehr als 250 Euro durch die Kommunalaufsicht ist erforderlich"?

In der Wirtschaft ist die Einpreisung von Abschreibungen in jedes Produkt längst üblich. Was immer einer kauft, in der Preiskalkulation ist diese Position fester Bestandteil, ob für eine Produktionshalle, eine Maschine, ein Stück Butter oder was auch immer.

Das System der Doppik bedeutet einen Quantensprung für die Planung des kommunalen Innenlebens, aber ein noch viel größeres Problem für die Selbstverwaltung und -gestaltung der Stadt, nicht zuletzt den Geldbeutel der Bürger. Wie begegnet Görlitz diesem Problem, das auf die Stadt zurollt? Welche Pläne liegen im Schubfach? Hat ein Stadtpolitiker die Risiken für die Stadt erkannt, wenn sein Horizont am "Salzkristall", vor dem von der Stadt finanzierten Helenenbad oder im Wahlversprechen Jugendzentrum endet ?

4. Recherchepflicht vor Berichterstattung I

Am 17. Februar berichtete die SZ von der bemerkenswert schlechten Leistung eines Stadtrates als Chef in der gastronomischen Einrichtung "Alte Herberge". In einem Großartikel wurde sein Name genannt, seine ruppige Art, ja seine Unfähigkeit, ein Restaurant zu führen, skandalisiert. Der eigentlichen Ursache aber, wer ihm warum dieses Amt verliehen hat, wurde nicht nachgegangen. Das Hotel oder Restaurant, wie wir die "Alte Herberge" in der Goethestraße (Ephraim-Villa) nennen, ist eines der edelsten Häuser im Besitz der Wohnungsbaugesellschaft Görlitz (WBG). Deshalb beunruhigt es, dass die WBG "unaufgeregt auf die Kritik" reagierte, also an dem Zustand nichts zu ändern gedenkt.

Unser erstes Recherche-Ergebnis war, dass da jemand zum Chef dieses "Edelschuppens" gemacht worden war, der als Beruf Baufacharbeiter angab, längere Zeit arbeitslos war und schließlich einen Hausmeister-Posten bekam. Ist so etwas die Voraussetzung, ein touristisches Juwel mit Übernachtung und Gastronomie zu führen?

Dann besichtigten wir die erstaunliche "Karriere ohne Ende" in ihrer Zeitfolge, die sich uns so darstellt: Baufacharbeiter – arbeitslos – CDU-Eintritt – Wahl zum CDU-Stadtrat – unmittelbar darauf Hausmeister bei der WBG – schließlich Chef der "Alten Herberge", im Besitz der WBG (100%ige Tochter der Stadt).

Görlitz braucht den Tourismus und hat viel zu wenig gute Häuser, um Touristen zu längeren Aufenthalten in der Stadt zu locken. Deshalb sollten die skandalisiert werden, denen es nicht um eine erfolgreiche Gastronomie in der "Alten Herberge" geht. Sachfremde Interessen standen wohl im Vordergrund, als dieser Baufacharbeiter ohne Gastronomie-Erfahrung zum Chef dieser Edelherberge befördert wurde. "Zur Sache!" fordert Transparenz. Wie sind die Verquickungen zwischen WBG und CDU und ihr Umfeld? Wer ist im Aufsichtsrat? Hier sollte die SZ recherchieren und notfalls skandalisieren.

5. Recherchepflicht vor Berichterstattung II

Wozu ist eine Zeitung da, die nur berichtet, was der Bürger längst weiß, im übrigen aber nicht bereit oder fähig ist, Fehler, ja Vertuschungen in Vorgängen in der Stadt aufzuzeigen. Ein neues Beispiel ist die Berichterstattung über die blamable Planung des Busbahnhofes. Ein Leser (Werner Heinzel) musste den höchst unbefriedigenden Bericht der SZ dazu vervollständigen:

Wir verkürzen den Leserbrief: Die Stadt plant seit 2003 "nur mal so" einen Busbahnhof und kommt auf 7 Mio Euro, um festzustellen, das ist zu teuer; speckt durch neue Planungen ab, wird aber dann von der Deutschen Bahn mit merkwürdigen Argumenten im Regen stehen gelassen; plant erneut und landet jetzt bei 1,5 Mio Euro. Aber nun kann sie erst recht nicht bauen, denn die betreffenden Grundstücke sind inzwischen an einen global arbeitenden Investor verkauft worden. "Ist Bürgermeister Wieler nicht rechtzeitig vom Verkäufer informiert worden?", fragt der Leserbriefschreiber?

Unsere Antwort: Selbstverständlich muss Herr Wieler informiert sein, wenn in Görlitz gilt, was sonst überall gilt. Jeder, der mit einem Grundstückgeschäft beschäftigt war, weiß, dass beim Notar neben vielem anderen die Genehmigung eingeholt werden muss, dass die Kommune auf ihr generelles Vorkaufsrecht verzichtet. Anders ist kein Kauf oder Verkauf abzuschließen.

Direkte Frage an den Baubürgermeister. Wann hat er diesen Verkauf durch Verzicht auf das Vorkaufsrecht der Stadt Görlitz genehmigt? Warum verschweigt er das der Öffentlichkeit und dem Stadtrat? Welche Mehrausgaben durch einen höheren Preis muss die Stadt jetzt tragen? Wie will er das alles erklären und welche Konsequenzen wird er daraus ziehen?

6. Verachtete Not


Im Jahre 1894 wurde ein Franzose namens Dreyfuß von seiner Behörde in Paris höchst ungerecht behandelt. Kaum einen seiner Landsleute interessierte damals sein Unglück, bis ein Journalist, Émile Zola, einen berühmt gewordenen Artikel schrieb: "Ich klage an!" Erst dann wurde dem armen Kerl geholfen.

Leid ist nicht vergleichbar. Aber, an den Zahlen gemessen, ist das Leid in Görlitz um vieles größer. Genau so die Friedhofsruhe, die sich über die vielen schrecklichen Schicksale in Görlitz ausbreitet. Denken Sie an die großen Worte von allen Fraktionen während des 68. Stadtrates. Alle wussten alles, alle betonten ihr Wollen, Können und ihre Tüchtigkeit. Geschehen aber ist NICHTS, gar nichts. Unser "Zur Sache!"- Antrag, diesen armen Menschen wirksam zu helfen, wurde entschärft und dann auf den Sankt-Nimmerleinstag verschoben.

Wer einmal erlebt hat, wie sich ein Drogenkranker mit den Worten: "Na und" das Leben nimmt, wie ein junger, am Anfang seines Lebens stehender Mensch – man muss es so grob sagen – sein Leben mit einem Schwall Blut auskotzt, wer einmal eine Nacht an der Bahre eines an einer Drogenüberdosis zu Tode gekommenen Mädchens verbracht hat, weil er Angst um die am Bett heulende Mutter hatte, die aus Verzweiflung der Tochter folgen wollte. Kann, darf der noch zur Ruhe kommen? Muss er nicht den ganzen Tag durch die Stadt laufen und – allem Spott trotzend – laut um Hilfe schreien? Und ein Stadtrat, in dessen Stadt so viel Unglück passiert und der unberührt weiterlebt, sich nur seinen kleinen harmlosen Vergnügungen widmend, muss der nicht vor Furcht zittern, dass die nächste Generation von ihm sagen wird: "gewogen und zu leicht befunden?"

"Zur Sache!" will sich mit diesem Verhalten nicht abfinden. Unser Verein will erneut, – gleich Zola – im Stadtrat darauf hinwirken, dass wir als Fraktion "zur Sache!“/SPD" den folgenden Antrag im Stadtrat stellen, ein neuer Ruf an alle, anzufangen:

Die Fraktion "zur Sache!"/SPD sieht mit zunehmender Sorge, dass effektive Maßnahmen gegen Alkohol und Drogen von der Stadt weder unternommen noch geplant sind. Die Fraktion schlägt deshalb vor, dem Vorbild anderer Gemeinden zu folgen und die Verwaltung zu beauftragen, eine sog. "Alkoholsatzung" zur Verhinderung von Alkohol- und Drogengenuss auf öffentlichen Plätzen und den als Pausenräumen von Schulen genutzten öffentlichen Bereichen zu erlassen.


Wir wurden gewarnt. Es ist zu erwarten, dass eine der großen Fraktionen nun einen gleichartigen, weitergehend formulierten Antrag einbringen wird. Den wird dann natürlich der OB als ersten im Stadtrat behandeln lassen und diese Fraktion wird sich ihrer großartigen Menschlichkeit in der Öffentlichkeit brüsten. Doch es bleibt dabei: Uns geht es nicht um das Erstgeburtsrecht. Es muss endlich etwas passieren.

Ihre

Peter Gleißner und Joachim Paulick

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Mitteilungsblatt des zur Sache! e.V. März 2014 (ca. 67KB)

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  • Quelle: red | Grafik: zur Sache! e.V. | Archivbild 2009: www.goerlitzer-anzeiger.de
  • Erstellt am 11.03.2014 - 19:30Uhr | Zuletzt geändert am 12.03.2014 - 00:19Uhr
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