Zur Sozialversicherung für Selbständige

Görlitz, 28. November 2016. In der aktuellen Rentendebatte kommt immer wieder das Argument, wie gerecht es doch sei, wenn alle in die Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) einzahlen würden. Beamte und viele Selbständige müssen das nämlich nicht. Auch bei der Krankenversicherung wird der Unterschied zwischen den gesetzlich und den privat Versicherten häufig als ungerecht empfunden. Der Görlitzer Anzeiger geht auf einige Grundaspekte ein, will damit verbreiteten Vorurteilen entgegentreten und auf einige Aspekte als Grundlage für persönliche Entscheidungen Selbständiger zur sozialen Absicherung hinweisen.
Abbildung: Besonders Selbständige, von deren Leistungsfähigkeit das Einkommen unmittelbar abhängig ist, müssen sich absichern – sowohl für das Alter als auch für den Fall mehr oder minder schwerer Erkrankungen.

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Ein Blick auf Einkommenssicherung im Alter und Krankenversicherung

Die Rente ist sicher? Ja, die Frage ist nur, in welcher Höhe.

Beamte erhalten ihre Rente aus dem Steueraufkommen, Vater Staat kümmert sich also höchstpersönlich um seine treuen Diener. Bei Selbständigen hingegen müssen sich nur ausgewählte Berufgruppen, so etwa Schriftsteller, Dozenten oder auch Handwerker, gesetzlich Rentenversichern. Andere wiederum nutzen berufsständische Versorgungswerke und eine weitere Gruppe muss völlig allein entscheiden, wie die Altersvorsorge gestaltet wird. Hier liegt ein großes Risiko für Altersarmut, nämlich dann, wenn wenig oder gar kein Geld beiseite gelegt wurde oder wenn die private Kapitalanlage, was häufig genug geschieht, "platzt", Anleger ihr Geld also großenteils oder ganz verlieren. So ein Verlust wäre in der umlagefinanzierten gesetzlichen Rentenversicherung nicht möglich, allerdings hat man auch hier nichts von seinen Einzahlungen, wenn man "sozialverträglich ablebt", also relativ jung stirbt. Wer sich dagegen ein Vermögen als Vorsorge aufgebaut hat, kann es wenigstens vererben.

Was aber, wenn nun alle Selbständigen und auch die Beamten in die gesetzliche Rente einzahlen müssten? Einesteils würden sich die demografiebedingten Probleme kurzfristig entspannen, weil pro Rentenempfänger mehr Beitragszahler zur Verfügung stünden, andererseits würde sich mittel- und langfristig das Problem weiter verschärfen, nämlich dann, wenn die neuen Einzahler selbst Rentner werden. Es tritt dann nicht nur das ungünstige Verhältnis von Zahlern und Empfängern wieder voll zu Tage, sondern es verschärft sich: Wenn unter den nun gesetzlich rentenversicherten Selbständigen viele Gutverdiener sind, entstehen ihnen auch höhere Rentenansprüche, die dann – aus dem Umlageverfahren resultierend – von der Allgemeinheit der gesetzlich Rentenversicherten aufgebracht werden müssten.

Eine pauschale Empfehlung an Selbständige, wie man denn für das Alter vorsorgen solle, kann nicht gegeben werden. Grundsätzlich gilt als ein guter Ansatz: Am besten vermehren sollte sich das Kapital im eigenen Unternehmen, außerdem bleibt hier bei entsprechender Rechtsformwahl der eigene Einfluss darauf erhalten. Außerdem sollte das Unternehmen so entwickelt werden, dass es auch im Alter Beteiligungseinkünfte, Beratereinkommen oder Lizenzgebühren abwirft oder verkauft werden kann. Ob man außerdem der Grundempfehlung folgt, langfristig Geld anzulegen, um über die Jahre hinweg den Zinseszinseffekt zu nutzen, will gut überlegt sein. Praktisch wirkt hier die aktuelle langanhaltende Niedrigzinsphase kontraproduktiv und außerdem: Weiter als 15 Jahre kann niemand in die Zukunft schauen. Immer vernünftig scheint dagegen, werthaltige oder im Wert steigende Sachwerte anzuschaffen – zumindest als Teil des Vorsorge-Portfolios.

Für den Krankheitsfall gut versichert – was ist der Preis?

Die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung mit Krankentagegeldanspruch liegen 2017 weiter bei insgesamt 14,6 Prozent, zuzüglich eines durchschnittlichen Zusatzbeitrages von 1,1 Prozent (für die Pflegeversicherung sind insgesamt weitere 2,55 Prozent aufzubringen, von Kinderlosen ab 23. Lebensjahr 2,8 Prozent). Zur Falle für nur wenig Geld verdienende hauptberuflich Selbständige – vor allem kleine Einzelunternehmen, in denen der Unternehmer als sogenannter "Selbstausbeuter" agiert – wird, dass die Beiträge auf Grundlage einer Mindestbemessungsgrundlage von 2.231,25 EUR festgelegt werden, allein für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung sind also von dieser Personengruppe um die 407 Euro monatlich aufzubringen, auch dann, wenn das Einkommen unter der Mindestbemessungsgrundlage liegt (in bestimmten Fällen kann das zum Ansatz gebrachte Mindesteinkommen auf Antrag reduziert werden). Andererseits gibt es eine Regelbemessungsgrenze, die den Monatsbeitrag auf knapp 794 Euro im Monat begrenzt – dennoch sind das wahrhaft stolze Größenordnungen!

Vor diesem Hintergrund ist es kein Wunder, dass sich viele Selbständige (wie auch Beamte, die Zuschüsse Ihres Dienstherrn privat ergänzen) der Privaten Krankenversicherung zuwenden. Hier wird unter Berücksichtigung der persönlichen gesundheitlichen Ausgangssituation versichert, mit einkommensunabhängigen Monatskosten bei Jüngeren oft drastisch unter dem gesetzlichen Mindestniveau, dafür aber in aller Regel mit besseren Leistungen, die mit dem Tarif wählbar sind.

Einige Tarife der PKV enthalten beispielsweise Beitragsrückerstattungen, wenn nur bestimmte Leistungen in Anspruch genommen werden, oder auch Selbstbeteiligungen bei einem Arztbesuch. Im Grunde ist das eine gute Sache, motiviert es doch zu gesundheitsbewusstem Verhalten und dazu, nicht gleich wegen jedem Zipperlein zum Arzt zu gehen, dafür jedoch vielleicht erst einmal auf bewährte Hausmittel zu setzen. Weiterer Vorteil: Der privat Versicherte bekommt eine Rechnung des Arztes, kann also kontrollieren, welche Leistungen auf ihn abgerechnet werden. Die Honorare sind in der Gebührenordnung der Ärzte festgeschrieben und werden mit unterschiedlichen Faktoren multipliziert. Dennoch sind Arztrechnungen meist günstiger, als gemeinhin angenommen, ein eventueller Eigenanteil bleibt deshalb oft im Bereich der Einsparung gegenüber der gesetzlichen Versicherung. Manche der privaten Krankenversicherer haben ihre Tarife für 2017 angehoben. Ursache dafür ist die Niedrigszinsphase, durch die Rückstellungen für die Beitragsentlastung im Alter nicht mehr so günstig angelegt werden können. Außerdem bietet der medizinische Fortschritt immer besseren Zugang zur Spitzenmedizin und zu neuen Medikamenten, was die Kosten treibt. Was man wissen sollte: In der PKV können die Beiträge nicht "einfach so" erhöht werden, sondern sie ist an eine gesetzlich vorgegebene Kalkulation gebunden.

Entsprechend kann das private System durchaus als gerecht bezeichnet werden, weil es im Wesentlichen die Kosten einer Versichertengruppe mit ähnlichen Merkmalen auf diese umlegt. Dem halten die gesetzlichen Kassen gern die Solidargemeinschaft gegenüber, in der die Beiträge eben nicht gesundheits-, dafür aber einkommensabhängig erhoben werden und den Versicherten – bei eher geringen Unterschieden zwischen den gesetzlichen Kassen – ähnliche Leistungen (oder eben Nichtleistungen) geboten werden. Über diese „Solidargemeinschaft“ kann man freilich gut diskutieren. Mit wem will man denn solidarisch sein? Mit dem, der ungesund lebt? Mit dem, für den der Arztbesuch eher soziales Bedürfnis als Gesundheitsanliegen ist? Andererseits: Für Langzeit- und Intensiverkrankte muss die medizinische Betreuung in der Tat solidarisch finanziert sein. Nur: Eine von manchen Parteien geforderte "Bürgerversicherung" würde das Problem der hohen Gesundheitskosten nicht lösen. Diese sind das eigentliche Problem im deutschen Gesundheitswesen. Man darf schon fragen, weshalb es hierzulande in manchen Gegenden so eine hohe Krankenhausdichte gibt, warum gesetzliche Kassen in besten Citylagen residieren müssen.
Noch mehr Wettbewerb im GKV-System könnte sich durchaus für die Versicherten auszahlen. Die für die gesetzlichen Kassen eingeführte Punktbewertung, wonach die leistungsbezogene Vergütung für einen Arzt sinkt, je mehr Patienten er behandelt, führt dazu, dass Privatpatienten bei Ärzten nicht unbedingt bevorzugt werden, aber gern gesehen sind: Hier wird nämlich eine Rechnung geschrieben und bezahlt, weniger Bürokratie geht im Gesundheitsgeschäft wohl nicht.

Für Selbständige durchaus lästig bei den Gesetzlichen Kassen sind übrigens die regelmäßig zu erbringenden Einkommensnachweise, nach denen sich der Beitrag richtet. Sonderlich fair geht es dabei nicht immer zu: Meldet der Selbständige ein gesunkenes Einkommen nicht, hat er keinen Anspruch auf Erstattung seiner auf Basis eines höheren Einkommens berechneten und bezahlten Beiträge, steigt aber sein Einkommen und reicht er den Nachweis verspätet ein, muss er unter Umständen rückwirkend Beiträge nachzahlen. Ein Risiko der Beitragsnachforderung tragen übrigens Existzenzgründer, deren Beiträge zunächst auf Basis einer Schätzung ermittelt und dann vom tatsächlichen Einkommen übertroffen wurden .

Unterm Strich

Um das Thema der sozialen Vorsorge und Absicherung kommen Selbständige nicht herum. Bevor man Entscheidungen endgültig trifft, sollte man sich umfassend informieren und beraten lassen. In Fragen rund um die gesetzlichen Rente sind die Auskunfts- und Beratungsstellen der Deutschen Rentenversicherung eine erste Adresse. Der mögliche Schritt in die Private Krankenversicherung will gut durchdacht sein, für die Wahl des passenden Versicherers und Tarifs sollte man ausreichend Tarife der Anbieter vergleichen.

Bemerkenswert ist, dass die Kostendiskussion im Gesundheitswesen vor allem aus dem Bereich der gesetzlichen Kassen kommt. Im Grunde ist das logisch, werden sie doch aus einem prozentualen Anteil des Einkommens finanziert, dessen Betrag stets ein Politikum darstellt, weil er in die Lohnkosten einfließt und damit auf die Beschäftigungsquote wirkt. Steigen die medizinischen Kosten liegt es nahe, Maßnahmen zur Kostendämpfung – sprich Leistungsreduzierungen – einzuleiten.
Im privaten System dagegen wird womöglich strenger auf die Genesungskosten geachtet, die dann letztendlich auf die Versichertengruppe umgelegt werden. Dadurch werden medizinische Leistungen entsprechend der Gebührenordnung ohne Abstriche bezahlt, was dem medizinischem Fortschtritt und den Versicherten selbst zu Gute kommt.

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  • Quelle: TEB | Foto Frau: Mojpe / Mojca JJ, Foto Operation: deborabalves / Debora Alves, beide pixabay und Lizenz CC= Public Domain
  • Erstellt am 28.11.2016 - 07:15Uhr | Zuletzt geändert am 28.11.2016 - 09:00Uhr
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