Wird Deutschland das Bargeld abschaffen?
Görlitz, 24. April 2019. Von Thomas Beier. Geld ist nicht nur das Erfolgskriterium unseres Wirtschaftssystems, sondern gibt jedem Einzelnen soziale Absicherung und die Möglichkeit, sein Leben zu gestalten. Wer jedoch "kein Geld" hat und auf staatliche Leistungen angewiesen ist, dessen Handlungsspielraum ist stark eingeschränkt. Interessant ist, wie sich die Erscheinungsformen des Geldes verändern und welche Konsequenzen das hat.
Abbildung oben: "Plastikgeld" wie die Girocard oder Kreditkarten ermöglicht bargeldloses Bezahlen, bietet zugleich aber den einfachen Zugang zu Bargeld: Eine Brückentechnologie in Richtung eines bargeldlosen Verbrauchermarktes? Im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen spielen Bargeldzahlungen nur noch eine untergeordnete Rolle und sind in vielen Bereichen bereits ganz durch den elektronischen Zahlungsverkehr abgelöst.
Neue Alternativen machen Geld zu Technologiefaktor
Längst hat das Plastikgeld die Portemonnaies erobert und mancher Verbraucher ahnt nicht, was sich hinter den einzelnen Karten verbirgt.
Die klassischen Bezahlkarten
Da sind zunächst die Debitkarten, umgangssprachlich EC-Karten genannt. Dabei handelt es sich meist nicht um "EC"-Karten, denn die Markenrechte für "ec" liegen bei Mastercard, einem Unternehmen, das inzwischen eigene Debitkarten vermarktet. Eine Zeit lang konnte man EC noch als "Electronic Cash", das deutsche Kreditkartensystem, definieren, doch Electronic Cash wurde schon 2007 in Girocard umbenannt. Debitkarten ermöglichen es, einzelne Zahlungsvorgänge über das Bankkonto des Karteninhabers abzuwickeln. Das geschieht – so wie bei Kreditkarten auch – denkbar einfach per PIN-Eingabe oder Unterschrift oder bei Nutzung der Near Field Communication (NFC) bei kleineren Beträgen, indem die Karte an ein Lesegerät gehalten wird.Bei den Kreditkarten ist zwischen Visa und Mastercard, die beide von Banken herausgegeben werden, zu unterscheiden sowie zwischen American Express ("Amex") und Diners Club, der ältesten Kreditkarte der Welt. Die beiden letztgenannten Karten werden direkt von den Kartengesellschaften herausgegeben. Allen Kreditkarten ist eigen, dass Zahlungen nicht unmittelbar das Bankkonto belasten. Bei weit verbreiteten Kreditkarten wird das Konto einmal monatlich mit den aufgelaufenen Umsätzen belastet, was den Kontostand bis zur Abrechnung höher erscheinen lässt, weil die laufenden Zahlungen sich eben nicht wie bei einer Debitkarte zeitnah auf den Kontostand auswirken. Andere Kreditkarten räumen einen echten Kreditrahmen ein, der nur mit oft kleinen Raten getilgt werden muss, aber meist jederzeit getilgt werden darf. Sie sind damit ein unkompliziertes Finanzierungsinstrument, bei dem man freilich wie bei jedem Kredit auf die Zinsbelastung und gegebenenfalls weitere Kosten achten muss.
Problem: Datenauswertung
Wer mit Plastikgeld bezahlt muss wissen, dass damit personenbezogene Daten gespeichert werden. Mancher denkt in diesem Zusammenhang "Mir doch egal!" oder meint, dass er dann Werbung, die besser auf seine Interessen bezogen ist, erhält. Anbieter betonen häufig, dass sie mit Datenerhebungen ihren Service verbessern und zudem Statistiken erstellen können. Leider reicht das denkbare Szenario viel weiter: Auch zur Bonitätsbewertung könnten die Daten herangezogen werden oder wenn es darum geht, eine neue Krankenversicherung abzuschließen, oder vielleicht eine neue Arbeitsstelle zu suchen. Allein die Lebensmitteleinkäufe verraten viel über eine Person oder eine Familie. Setzt man eher auf gesunde Ernährung oder Fertigartikel? Neigt man zu Impulskäufen? Wie oft wird Alkohol gekauft? Hier kann es sinnvoll sein, solchen Auswertungen zu widersprechen. Wie das bei verbreiteten Kreditkarten geht, kann man bei t-online.de nachlesen.Bargeld abschaffen?
Vor diesem Hintergrund wäre die Abschaffung des Bargeldes höchst kritisch zu sehen. Doch selbst beim Bargeld ist die Anonymität nicht hundertprozentig gewahrt. Hebt jemand am Geldautomaten Geld ab, werden die Seriennummern der ausgegebenen Scheine personenbezogen registriert. Bringt man sein Geld dann in Verkehr kann es gut möglich sein, dass die Scheine erneut registriert werden und weiteren Aufschluss über eine Person bieten.Die Abschaffung des Bargeldes würde Zahler nicht nur gläsern machen, sondern auch den Banken ausliefern: Bei Negativ-Zinsen beispielsweise können Bankkunden heutzutage noch ihr Geld abheben und lieber an einem sicheren Ort aufbewahren – ist das Bargeld abgeschafft, geht das nicht mehr. Ein Sparer könnte sich der dann zwangsweisen, selbstverständlich kostenpflichtigen Verwaltung seines Geldes nicht mehr entziehen. Andererseits hätten – wäre das Bargeld abgeschafft – Steuerbetrug und Schwarzarbeit kaum noch Chancen.
Andererseits erobern simpel anzuwendende Bezahl- und Geldtransfersysteme den Markt. Schon jetzt überweisen Ausländer weltweit ihren Familien zuhause Geld per Western Union, zuverlässig und preiswert. Dabei kann der Sender des Geldes bestimmen, ob dieses auf einem Bankkonto ankommen oder oder als Bargeld abgeholt werden soll, auch an mobile elektronische Geldbörsen ist der Versand in einigen Ländern möglich. In Deutschland hat der Bezahldienst PayPal gerade im Online Handel frühzeitig den Markt besetzt und starke Marktanteile, Wettbewerber wie beispielsweise Click&Buy oder Skrill sind durchaus ähnlich, während Systeme wie sofortüberweisung.de darauf basieren, dass sie Zugriff auf das Konto des Zahlers erhalten und damit dem Zahlungsempfänger bei einem Online Kauf signalisieren können: Ja, wir übernehmen die Überweisung! Der Händler hat damit die Sicherheit, dass sein Geld kommen wird und kann die Ware sofort versenden.
Cyberwährungen: Eine Alternative mit Zusatznutzen
Für viele Menschen im wahrsten Sinne des Wortes kryptisch sind Cyberwährungen wie Bitcoin und Ether. Bitcoin, die Mutter aller Cyberwährungen, existiert seit 2009. Berühmt wurde die Währung durch ihren spektakulären Wertzuwachs: 2017 wurde ein Bitcoin auf seinem Allzeithoch mit knapp 20.000 US-Dollar (damals 16.543 Euro) gehandelt. Heute, am 24. April 2019, lag der Kurs um 8.39 Uhr bei exakt 5001,91 Euro und ist damit binnen 24 Stunden um mehr als 1,5 Prozent gestiegen (Kurs am 23. April 2019 um 8.16 Uhr: 4.926,34 Euro) – also an einem einzigen Tag um mehr, als mancher für seine Spareinlagen im ganzen Jahr erhält. Mit Bitcoin kann bezahlt und Geld überwiesen werden, übrigens auch offline, indem die kryptografischen Schlüssel, die zu den eigenen Bitcoins führen, auf Papier ausgetauscht werden. Insgesamt ist das Bitcoin-System umstritten, insbesondere wird kritisiert, dass eine Geldmenge außerhalb der Aufsicht der Notenbanken entsteht, was die Inflation befördert. Der hohe Schutz persönlicher Daten wird von Kriminellen ausgenutzt für Erpressungen bis hin zur Bezahlung von Auftragsdelikten. Insgesamt spielen illegale Anwendungen jedoch wohl nur nur eine geringe Rolle. Bitcoins werden vor allem von Leuten mit technischem Berufshintergrund genutzt, um mit dem innovativen System zu bezahlen oder zu spekulieren.Die Kryptowährung Ether basiert auf dem Ethereum-System und wird deshalb oft selbst Ethereum genannt. Der Kurs ist im Verlauf des Jahres 2017 von rund 9 Euro auf rund 543 Euro gestiegen (Allzeithoch Anfang 2018: 1.187 Euro) und liegt aktuell bei rund 152 Euro, was einem Wertanstieg von rund 2,4 Prozent binnen sieben Tagen entspricht. Als seiner Bedeutung als Bezahlwährung liegt der Ether noch hinter dem Bitcoin, hat aber Dank der funktionalen Möglichkeiten des Ethereum-Netzwerkes enormes Potenzial: Per Smart Contracts ermöglicht Ethereum viele Anwendungen bis hin zum Crowdfundig, die dann mit Ether bezahlt werden. Natürlich kann man mit Ether handeln und andere reale wie auch Kryptowährungen kaufen, Ethereum kaufen in Deutschland ist auf einfache Weise möglich. Das größte Anwendungspotenzial, was den Ether aus Sicht seiner Befürworter so aussichtsreich macht, sind jedoch die mit dem Ethereum-System möglich gewordenen Anwendungen der Blockchain-Technologie wie die genannten Smart Contracts. Mit ihnen wird es beispielsweise möglich, eine Auto ohne jeden Papierkram zu mieten, was das Carsharing entscheidend voranbringen könnte. Unterm Strich werden beim Smart Contracting Vertragsklauseln nicht nur abgebildet, sondern sind direkt ausführbar bzw. durchsetzbar. Das verspricht eine höherer Vertragssicherheit bei gleichzeitiger Reduzierung der Verwaltungskosten. Beim genannten Carsharing-Beispiel könnte das System die Fahrerlaubnis und Bonität des Kunden prüfen, der Wagen ließe sich erst öffnen und anlassen, wenn alle Vertragsbedingungen erfüllt sind.
Fazit
Obgleich bargeldlose Bezahlsysteme wie Girocard und Kreditkarten und auch bargeldlose Zahlungsdienstleister wie PayPal und ähnliche weiter an Bedeutung gewinnen, werden sie doch mit einiger Sicherheit das Bargeld nicht ablösen. Zumindest ein Großteil der Bevölkerung legt Wert auf die Vorteile des Bargeldes wie Verfügbarkeit und weitgehende Anonymität. "Nur Bares ist Wahres!" ist nicht ohne Grund ein geflügeltes Wort und es macht nun einmal mehr Spaß, zum Geburtstag ein paar Scheine im Umschlag zu spendieren als einen Überweisungsbeleg zu verschenken.Tatsächlich hohes Potenzial haben die Kryptowährungen, vor allem in Verbindung mit ihrem technologischen Potenzial und ihrem hohen Datenschutz-Standard. Allerdings sind einige dem Verbraucher liebgewonnene Funktionen wie etwa die Einlagensicherung oder das Wirken der Zentralbanken damit passé. Bargeld wird es dennoch wohl immer geben, schon des Erlebnisses wegen, sein Geld physisch auszugeben. Bestimmte bargeldlose Zahlungsmöglichkeiten – man denke an das auch in Görlitz eingeführte "Handyparken" – werden nur schlecht angenommen. Bargeldloses Bezahlen dominiert, wo höhere Beträge verfügbar sein sollen, ohne Bargeld mit sich zu führen, bei wiederkehrenden Zahlungsverpflichtungen und selbstverständlich im Online Handel; bei den Kryptowährungen kommt der Spekulationsgedanke, aber auch neue technologische Anwendungen hinzu.
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- Quelle: Thomas Beier | Foto geldautomat: 3dman_eu / Peggy und Marco Lachmann-Anke, Foto Wage mit Ether und Bitcoin: The World / WorldSpectrum, beide Pixabay und Lizenz CC0 Public Domain
- Erstellt am 24.04.2019 - 08:33Uhr | Zuletzt geändert am 24.04.2019 - 10:06Uhr
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