Theaterbelegschaft in Zittau verlangt Gleichbehandlung
Zittau, 21. Dezember 2011. Mit einem offenen Brief haben sich die Beschäftigten des Zittauer Theaters an die Freunde ihres Theaters gewandt - und mit einem persönlichen Schreiben an ihren Generalintendanten Klaus Arauner. Beide Schreiben liegen dem Görlitzer Anzeiger vor.
Offener Brief und Kommentar
Thema: Theater Görlitz-Zittau
Die Gerhart Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau GmbH (GHT) verfügt über feste Häuser in Görlitz und Zittau und bespielt die Waldbühne Jonsdorf. Als Vierspartenhaus vereint das GHT Musiktheater (Oper, Operette, Musical), Tanz, Schauspiel und die Konzerte der Neuen Lausitzer Philharmonie. Es ist ein wichtiger Teil Kulturraums Oberlausitz-Niederschlesien. Beliebt sind auch die Aufführungen an besonderen Spielstätten. Das Theater engagiert sich in der Theaterpädagogik für Kinder und Jugendliche sowie im interkulturellen Austausch mit Polen und Tschechien.
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Der Brief an Arauner, datiert vom 20. Dezember 2011, versteht sich als schnellstmögliche Reaktion auf einen - wie es darin heißt - "polemisierenden" Artikel, der in einer Tageszeitung erschienen war.
Die Zittauer Belegschaft der Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau GmbH verweist darin u.a. auf ihre Sorge um die Schauspielsparte. In Zittau habe man bereits vor Jahren Lohnverzicht geübt. Die Theaterleute stellen fest: "Fusionen sind immer ein heikle Angelegenheit. Warum aber können wir diesen Weg nicht gemeinsam gehen und damit unser gemeinsames Theater retten!" Dem Schreiben beigefügt war auch ein offener Brief an die Theaterfreunde.
Offener Brief an die Freunde des Zittauer Theaters
Liebe Freunde des Zittauer Theaters,
in einer Zeit, da der Fortbestand unseres Theaters massiv bedroht ist, wenden wir, die Beschäftigten des Theaters, uns an Sie!
Aufgrund politischer Beschlüsse fusionierten 2010 das Theater Görlitz und das Theater Zittau. Die damit verbundene Hoffnung, effizienter, also sparsamer zu produzieren, dabei aber gleichzeitig das Theaterangebot in Ostsachsen in voller Breite zu erhalten, ist vermutlich eine Illusion.
Zwei Theaterhäuser mit unterschiedlichen Identitäten und Produktionsroutinen, die seit vielen Jahren mit Einsparungen umgehen mussten, lassen sich kaum weiter verschlanken. Auch bekannte Beispiele von Fusionen anderer Theater, die zum Teil wieder rückgängig gemacht wurden sprechen gegen diesen Weg.
Nun im ersten Jahr nach der Fusion, wurden die Mittel durch den Kulturraum gekürzt und weitere Einsparungen sind angekündigt. Außerdem liefen die Haustarifverträge der Beschäftigten in Görlitz aus. Über 1 Million Euro fehlen der Gesellschaft um den geforderten Lohnsteigerungen im Bereich Musiktheater zu entsprechen.
Und das obwohl das Lohnniveau im Musiktheater aus historischen Gründen weit über dem im Tanz oder Schauspiel liegt und Opernproduktionen deutlich teurer sind.
Hier in Zittau handelten die Beschäftigten vor Jahren tarifunabhängige Verträge aus, um bei niedrigerem Lohnniveau den Fortbestand des Theaters, das kulturellen Angebotes und ihre Arbeitsplätze zu sichern. Dadurch wäre in den nächsten Jahren kein Mehrbedarf entstanden.
Bis jetzt konnte das Problem nicht grundsätzlich gelöst werden, doch arbeitet eine Kommission um Generalintendant Klaus Arauner an Empfehlungen für die politischen Entscheidungsträger im Landkreis. Sollten Land und Landkreis dem Theater nicht mehr Geld zur Verfügung stellen, so wird - bestätigten Informationen zufolge - vorgeschlagen u.a. im Theater Zittau 24 Stellen abzubauen und die Zahl der Schauspielproduktionen zu halbieren, ohne dass es in Görlitz zu vergleichbaren Einsparungen kommt.
Wenn Sie, wie wir der Meinung sind, dass das Zittauer Theater in seiner jetzigen Größe und Qualität zu erhalten ist, unterschreiben Sie bitte die ausliegenden Unterschriftenlisten, tragen Sie sich in die Online-Petition ein, schicken Sie Briefe an ihre politischen Vertreter und wirken Sie auf ihre Gemeindevertreter ein, sich für den Erhalt des Zittauer Theaters einzusetzen.
Nähere Informationen erhalten Sie im Internet. Adressen dazu liegen im Foyer aus!
Setzen Sie sich mit allen Theaterfreunden für den Standort Zittau ein!!!!
Kommentar:
Wenn mit der Tischdecke nicht sorgsam umgegangen wurde und sie zu klein geworden ist, kann man ziehen und zerren wie man will - eine Ecke des Tisches wird immer entblößt hervorlugen. Deshalb gibt es nur zwei pragmatische Lösungen: Entweder die Tischdecke so schonend behandeln, dass sie nicht einläuft – oder den Tisch verkleinern, an dem dann weniger Leute Platz finden.
Wenn in dem Haus, in dem der Tisch steht, in den nächsten Jahren immer weniger Menschen wohnen werden, eine naheliegende Lösung, nicht war?
Es geht aber nicht um einen Tisch, sondern um ein Theater. Und im konkreten Fall ist die Schauspielsparte betroffen, die im öffentlichen Leben der Theaterregion zweifellos viel stärker eine gesellschaftliche und politische Wirkung entfalten kann als das Musiktheater. Damit geht es auch um die ganze Region, zu deren in der Anzahl spärlichen Juwelen das Theater auch mit seinem Schauspiel zählt.
"Fusionen sind immer heikel", haben die Zittauer Theatermacher richtig erkannt. Doch erst zu fusionieren, um dann zu amputieren, das erschließt sich keiner Logik. Wer berücksichtigt, dass in den vergangenen Jahren der Theaterbetrieb nur durch Lohnverzicht ermöglicht wurde, dem müsste allein der Anstand sagen: Hände weg vom Theater!
Wenn man vor zwanzig Jahren geschäftlich in den schon damals alten Bundesländern zu tun hatte, wurde einem nahezu regelmäßig die Frage gestellt: "Was glauben Sie, bis wann sich die Lebensverhältnisse im Osten angeglichen haben werden?" Mal abgesehen vom Unvermögen der Fragesteller, Veränderungen im Westen ins Kalkül zu ziehen – meine Antwort war damals: "Ich denke, mindestens 15 Jahre." Alle Gesprächspartner waren jedoch der Meinung, es würde nur drei, höchstens aber fünf Jahre dauern.
Wie ich darauf komme? Weil die Ausdünnung der ostsächsischen Theaterlandschaft durchaus eine Angleichung an westdeutsche Verhältnisse wäre. Aber das kann weder Ziel noch Maßstab sein.
Eine Verwaltung, die Mittel freisetzt durch Ent-Bürokratisierung, durch Rückzug aus Tätigkeitsgebieten, in denen Sie nichts verloren hat, würde, so schätze ich, ohne weiteres Mittel eine blühende Kulturlandschaft freisetzen - mit allen angenehmen Folgen für Bevölkerung und Gesellschaft. Wie wäre es, Verwaltungsmitarbeitern ähnlich den Theaterleuten einen Lohnverzicht zur Sicherung des Arbeitsplatzes anzutragen? Nein, das will niemand und es wird nicht geschehen. Aber die Gedanken sind frei.
Der erste Schritt aus der Theaterkrise wäre, sich jene Prämissen anzuschauen, die zu den Einsparzwängen im Kulturbetrieb führen und eben diese scheinbaren Kürzungsnotwendigkeiten oder Deckelungen zu überprüfen. Angesetzt wird aber mit einer Kommission, die – fast wie in Vorbereitung eines sukzessiven Theater-Suizids, so will´s mir scheinen – Einsparvorschläge für die Politik erarbeitet. Jeder Kaufmann weiß, dass Liquiditätsprobleme dauerhaft nur auf der Einnahmenseite, nicht aber durch Kosteneinsparungen gelöst werden können. Jeder Konzern leitet Veränderungen für EInsparungen ein, wenn es ihm gut geht, weil er dann die Einschnitte verkraftet. Wer aber das finanziell schwache Theater zu Einsparungen treiben will, wird keine Genesung ernten.
Überhaupt: Einsparung gleichmäßig oder gar gerecht zu realisieren, wird im eingespielten Theater-Spar-Betrieb nicht gehen. Wer aber zulässt, dass einzelne Säulen herausgebrochen werden, kann den ganzen Bau zum Einsturz bringen,
befürchtet Ihr Thomas Beier
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- Quelle: red | Kommentar: Thomas Beier
- Erstellt am 21.12.2011 - 13:51Uhr | Zuletzt geändert am 02.08.2022 - 11:32Uhr
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